Retouren im Onlinehandel

Die Deutschen sind Retourenweltmeister, in keinem Land wird so viel bestellte Ware zurückgesendet, wie in Deutschland. Im Jahr 2018 wurden 280 Millionen Retouren im deutschen Online-Handel gezählt. Bei rückgesandten Artikeln liegt die Zahl bei ca. 487 Millionen Artikel, 32 % davon sind Bekleidung und 17 % Schuhe.  Bei den Schuhen ist der Anteil zurückgesendeter Waren besonders hoch: 70 % der bestellten Schuhe werden retourniert und auch bei Bekleidung liegen die Anteile bei 50 %. Dabei ist es bei vielen Kunden schon die Regel, dass Kleidungsstücke in verschiedenen Größen gekauft werden und die nicht passenden, oder nicht gefallenen Waren zum Händler zurückgesendet werden. Diese Retouren sorgen für Kosten im Milliardenbereich, eine Forschungsgruppe der Universität Bamberg hat ermittelt, dass sie insgesamt 5,46 Milliarden Euro an Gesamtkosten verursacht hat. Der größte Anteil dieser Kosten wird über indirekte Auslagen direkt auf den Kunden abgewälzt und nur wenige Retouren sind wirklich kostenlos. Jede Retoure kostet durch Transport, Rücknahme, Sortierung, Neuverkauf und Entsorgung rund 20 Euro. Diese Preise werden teilweise auf die Waren aufgeschlagen, damit die Margen darunter nicht allzu sehr leiden. Trotzdem leidet auch der Onlinehandel unter diesem großen Retourenanteil.

Was passiert mit der retournierten Ware

Der größte Anteil der retournierten Ware wird aufbereitet und wieder als A-Ware verkauft. Kleidungsstücke werden zum größten Teil weiterverkauft, sie belegen 82 % der als A-Ware eingestuften Produkte. Durchschnittlich wird 70 % der Artikel als A-Ware weiterverkauft, bei dem Rest hat die Qualität zu sehr gelitten und kann nicht mehr aufbereitet werden oder kann aus hygienischen Gründen nicht weiterverkauft werden. Ein Großteil dieser Ware wird dann als B-Ware weiterverkauft oder vernichtet. Besonders Artikel aus dem Bereich Health und Wellness, sowie Nahrungs- und Genussmittel können nicht wieder aufbereitet werden und weiter verkauft werden. Beispiele dafür sind Matratzen, oder verderbliche Artikel, deren Haltbarkeit nicht mehr gewährleistet werden kann. Können Artikel dann nicht mehr als B-Ware weiterverkauft oder gespendet werden, werden diese Artikel entsorgt bzw. recycelt. Die Vernichtung von retournierten Waren wird von vielen aus der Politik und von Verbänden scharf kritisiert, Gero Furchheim vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh) betont aber „Kein Unternehmen meiner Branche hat ein Interesse, wirtschaftlich sinnvoll verwertbare Ware wegzuwerfen oder zu vernichten“. Die Vernichtung eines kleinen Anteils retournierter Waren stellt eine absolute Ausnahme dar und ist meist alternativlos, laut dem bevh.

Retourenvermeidung

Sowohl ökologisch als auch ökonomisch macht eine Vermeidung von Retouren Sinn. Prof. Dr. Gerrit Heinemann vom bevh sagt zur Vermeidung: „Nicht umsonst gilt präventives Retourenmanagement im Onlinehandel als ‚Königsdisziplin‘“. Bei den Retouren entstehen auch für den Händler Kosten in vielen Segmenten: die Ware muss wieder aufbereitet, oder entsorgt und neu verpackt werden. Abseits der Aufbereitung ist auch die Vermeidung von Verpackungen ein großes Thema, wie Maxibriefkartons, eine der häufigsten Verpackungen und Folien, oder anderes Füllmaterial. Ökologisch gesehen ist eine Vermeidung von weiteren Verpackungen wichtig, denn das Neuverpacken von retournierten Waren lässt am Ende wieder Verpackungsmüll zurück.  Die Maßnahmen sind dabei vielfältig, von klassischen technischen Mitteln wie einer präzisen Produktbeschreibung, vielfältigen Abbildungen und Kundenrezensionen, über Vorkasse hin zu neuen innovativen Maßnahmen zur Retourenvermeidung. Unternehmen setzen dabei verschiedene Schwerpunkte. Während zwei Drittel der Unternehmen das Sortiment verschlanken und auf die Nachfrage hin spezialisieren, setzen andere vor allem auf Maßnahmen im Bereich Beratung und Service. Bei Bekleidung lässt sich beispielsweise über die eigene Kamera Kleidung virtuell anlegen, oder Brillen auf das Gesicht projizieren, um vor dem Kauf zu sehen, wie der Artikel am eigenen Körper aussieht. Andere Methoden dabei sind Maßnahmen wie der Einsatz von Fitting Modellen, besseren Größenhinweisen oder individuellen Größenempfehlungen durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz.

Der Einsatz von sanktionierenden Maßnahmen, wie das Sperren von Zahlungsmitteln oder mahnenden Kundenbriefen wird eher selten angewendet und manchmal sogar als kontraproduktiv bewertet. Es gibt also bei der Vermeidung von Retouren keine Einheitslösung, sondern individuelle Lösungen für jedes Produkt. Hierbei wird die gesamte Bandbreite ausgenutzt und viel in dieser Richtung optimiert und nach neuen Lösungen gesucht.

Fazit

Das Thema Retouren ist ein sehr komplexes Thema und beinhaltet die verschiedensten Bereiche in der Wertschöpfungskette. Gerade die Nachhaltigkeit ist dabei ein wichtiges Thema, sowohl wegen den anfallenden Kosten, aber auch wegen der Vernichtung retournierter Waren und anfallendem Verpackungsmüll. Die Aufbereitung als neue A-Ware hat dabei absolute Priorität und nur in Ausnahmefällen sollte Ware vernichtet bzw. recycelt werden. Retouren können nicht zu 100 % vermieden werden, allerdings sollte darauf hingearbeitet werden diese auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Sowohl der Kunde als auch der Onlinehandel haben daran ein breites Interesse und neue innovative Maßnahmen müssen entwickelt und getestet werden.