Stuttgarter Zeitung: Daimler auf Schlingerkurs / Leitartikel zur Vertragsverlängerung von Dieter Zetsche

Die Kontrolleure haben den Vertrag von Dieter
Zetsche nur um drei Jahre verlängert. Zuletzt hatte es Signale
gegeben, dass der Chef ebenso wie der nur ein Jahr jüngere
Forschungsvorstand Thomas Weber wieder mit Fünfjahresverträgen
ausgestattet würden. Das Umdenken im Aufsichtsrat jetzt ist richtig
und wird dem Konzern womöglich viel Geld ersparen.

Die Strategie, eher auf dem Rücken der Belegschaft statt mit ihr
Richtung Zukunft zu fahren, ist offensichtlich gescheitert. Das
belegen die weiteren Entscheidungen des Aufsichtsrats. Zetsche musste
seinen Produktionschef Wolfgang Bernhard opfern, um den eigenen Stuhl
zu retten. Dem 52-Jährigen sind seine rustikalen Methoden beim Umbau
der Fabriken zum Verhängnis geworden. Nun wechselt er das Ressort,
kümmert sich künftig um Nutzfahrzeuge.

Eher hilflos wirkt es, wie der Konzern den Eindruck zu erwecken
versucht, als handele es sich um einen intelligenten Coup: Der
bisherige Lastwagenmann Andreas Renschler sammelt (weitere)
Erfahrungen im Personenwagengeschäft, und Bernhard macht es
umgekehrt. Mit diesen beiden, so suggeriert der
Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Bischoff, habe Daimler dann zwei
Topmanager mit Expertise im gesamten Automobilbereich, die als
Favoriten gelten dürfen, sofern schnell ein Zetsche-Nachfolger
gebraucht wird. Viele Vorschusslorbeeren erhält auch der neue
Chinachef Hubertus Troska, der gerade erst seit ein paar Wochen im
Vorstand sitzt.

Das Tableau zeigt, dass der Konzern an der Spitze auch ein
Nachwuchsproblem hat. Gewiss ist es in einem großen und weit
verzweigten Unternehmen wie Daimler wichtig, Stallgeruch zu haben.
Aber es ist lange, sehr lange her, dass ein Topmanager mit anderswo
erworbenen Meriten bei Daimler nach oben kam. Dieser frische Wind
fehlt dem Konzern. Seit gestern richtet sich der Blick auf die Zeit
nach Zetsche. Das Rennen um die Nachfolge hat begonnen.

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