WAZ: Tarifflucht geht an Substanz – Kommentar von Stefan Schulte

Ein Abschluss knapp oberhalb der Inflationsrate
klingt stets nach Vernunft und Augenmaß, wie es in der Regel die
Arbeitgeber fordern. Die Beschäftigten haben zumindest etwas mehr und
die Händler können bei den in vielen Branchen kargen Gewinnmargen
weiter solide kalkulieren. Alles gut also? Nein. Wenn ein Konsumklima
auf Rekordniveau und satt steigende Umsätze nicht spürbar bei den
Beschäftigten ankommen, heißt das nichts Gutes für den
Allgemeinzustand der Branche.

Dieselbe Diagnose drängt die nach wie vor sinkende Tarifbindung
auf. Wenn drei von vier Einzelhändlern sich gar nicht mehr an der
gemeinsamen Lohnfindung beteiligen, geht das an die Substanz der in
diesem Land eigentlich so bewährten Sozialpartnerschaft. Das zu
ändern, muss das gemeinsame Interesse von Arbeitgebern und der
Gewerkschaft sein. Die Tarifflucht hat häufig weit banalere Gründe
als die veralteten Mantelverträge. Trotzdem wäre es richtig, sie ins
Jetzt zu holen.

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