Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Schlecker:

Die drohende Schlecker-Pleite ist eine
Katastrophe, aber eine beherrschbare. Wenn der Staat die Züchtung
bunter Biomöhren fördern kann, muss auch Geld für die
Schlecker-Mitarbeiter vorhanden sein. Ist es ja auch. Die
Arbeitsagenturen helfen arbeitslosen Verkaufskräften der
Drogeriemarktkette, einen neuen Job zu finden. Dafür ist eine neue
Transfergesellschaft überflüssig. Zunächst einmal erhalten heute
mehr als 10 000 Menschen die Kündigung. Hinter jedem steckt ein
Schicksal. Oft sind es Frauen, die die Chance nutzten, stundenweise
bei Schlecker zu arbeiten, um so das Familieneinkommen aufzubessern.
Transfergesellschaften sind in Krisen kein Allheilmittel. Auch wenn
das Teile der Politik, Gewerkschaften und
Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz einen anderen Eindruck
erwecken wollten. Nur die FDP zog ihr Nein durch – steckte dafür auch
reichlich Prügel ein. Denn selbst mit den 85 Millionen Euro, die in
die Gesellschaft fließen sollten, würden Probleme nur vertagt.
Schleckers Schicksal wurde nicht gestern, sondern in den vergangenen
zehn Jahren besiegelt. Und jetzt sind die Betroffenen dankbar über
jeden Strohhalm, der angeboten wird. Eine Transfergesellschaft hätte
immerhin für sechs Monate 67 Prozent des letzten Nettolohns
weitergezahlt. Und danach? In einer strukturschwachen Region reicht
ein halbes Jahr nicht aus, um nach einer Weiterbildung einen neuen
Job zu finden. Dafür werden in Städten Verkaufskräfte gesucht. Doch
auch Strohhalme gibt es nicht zum Nulltarif. Die Bundesländer sollten
für 70 Millionen Euro bürgen, das Unternehmen Schlecker wollte nur 15
Millionen beisteuern. Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der
Leyen (CDU) hatte für die Transfergesellschaft geworben. Aus gutem
Grund: Die dort Beschäftigten tauchen nicht in der
Arbeitslosenstatistik auf und die Gehälter muss die Nürnberger
Bundesagentur nicht zahlen. Und auch der Insolvenzverwalter handelt
nicht aus Eigennutz. Wer in der Transfergesellschaft beschäftigt ist,
verzichtet auf Abfindungen und Kündigungsschutzklagen. Das hätte den
Rest von Schlecker für mögliche Investoren interessanter gemacht.
Denn dieses staatlich mitfinanzierte Aufhübschen ist kaum zu
begründen. Was sagen die in den vergangenen 35 Jahren verdrängten
Drogisten dazu, wenn der Steuerzahler auch für Ketten wie Schlecker
einspringen sollte? Groß frisst klein, gut schlägt schlecht. Der
Staat kann nicht alle Drogeriemärkte in Deutschland retten. Genauso
darf er nicht mit neuen Subventionen jeden Standort der
Autohersteller erhalten. Und was ist mit kränkelnden Baumarktketten?
In jedem Jahr gibt der Staat nach Untersuchungen des
Steuerzahlerbundes Milliarden für Unsinn aus. Es werden überschuldete
Länder und marode Banken gerettet. Das ist aber kein Grund dafür,
noch mehr Geld aus dem Fenster zu werfen.

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