Westfalen-Blatt: zur Möbelbranche

Die Deutschen mögen Möbel. Wohl nirgendwo sonst
gibt die Bevölkerung pro Kopf mehr für die Wohnungseinrichtung aus
als in der Bundesrepublik: jährlich 390 Euro. Das ist fast das
Neunfache des Durchschnitts der Weltbevölkerung.

Die Branche könnte also fröhlich beschwingt in Köln die weltgrößte
Einrichtungsmesse IMM Cologne feiern – wäre da nicht der
Umsatzrückgang im vergangenen Jahr. Dabei ist es weniger das Minus
von 3,5 Prozent, das zu Sorgen Anlass gibt. Das wäre zu verkraften.
Schwerer wiegt, dass das Geschäft ab Mai nicht mehr lief, obwohl die
Rahmenbedingungen fast ideal gewesen sind. Die Konjunktur lief im
Inland besser als erwartet. Die Arbeitslosigkeit ging zurück. Die
Löhne und Gehälter stiegen. Und die niedrigen Zinsen hielten viele
davon ab, ihr Geld auf die Bank zu bringen. Sie investierten es in
den Hausbau oder in eine schöne Reise. Andere kauften ein neues
Smartphone oder Tablet. Selbst die Autohersteller schnitten unterm
Strich besser ab als die Möbelindustrie.

Angesichts der Bedeutung, die die Möbelfirmen für die Region
haben, kann das niemanden in Ostwestfalen-Lippe gleichgültig lassen.
Gehen sie etwa den Weg der Textilunternehmen, die ihre Produktion
fast vollständig nach Asien verlagert haben? Nicht nur für die
Beschäftigten ist das eine zentrale Frage. Noch ist vor allem die
Küchenindustrie Weltklasse. Keiner produziert effizienter,
zuverlässiger, flexibler oder auf einem höheren Qualitätsniveau. Doch
selbst die Nobilias, Noltes, Poggenpohls, Siematics und Häckers
müssen aufpassen, dass sie nicht auf den Lorbeeren einschlafen.

Wie sehr sich Moden wandeln, sieht man derzeit bei Schlafzimmern
und Polstermöbeln. Die Idee für die dickmatratzigen Boxspringbetten
kommt aus den USA. Die plüschigen Sofa- und Sessellandschaften, die
derzeit als der Hit in den Möbelhäusern angeboten werden, muten
orientalisch an. Ob sie längerfristig den Geschmack der Deutschen
treffen, muss man abwarten.

Alle Möbelhersteller sollten gewahr sein, dass die Preise nicht in
den Himmel steigen dürfen. Selbst unter denen, die sich eine Küche
für 25 000 Euro leisten können, ist nicht jeder bereit, so viel zu
investieren, wenn er sich seines Jobs und damit seines Wohnorts oder
seiner familiären Verhältnisse nicht ganz sicher ist. Deutsche Küchen
haben eine lange Lebensdauer. Doch für Umzüge sind sie eher nicht
gemacht. Zugegeben, Versuche mit Küchenmöbeln auf Rollen brachten vor
ein paar Jahren nicht den gewünschten Erfolg. Noch nicht. Vielleicht
kam diese Idee einfach zu früh.

Es gibt sie noch, die Käufer, die sich sklavisch an einen Stil
halten. Die Mehrzahl aber möbliert wie Patchwork – ein bisschen von
diesem, ein bisschen von jenem. Hauptsache, dem Käufer gefällt–s. Das
deutsche Wort Möbel leitet sich vom lateinischen »Mobiles« ab – die
Beweglichen. Immobilität im Kopf rächt sich in jeder Branche, auch
bei Möbeln.

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