Die Energiewende in Deutschland lässt grüßen! Etablierte Strukturen werden obsolet. Insbesondere die großen Unternehmen mit eigenen Kernkraftaktivitäten, aber auch große Stadtwerke, haben mit diesem Umbruch zu kämpfen. Die Organisationen müssen den geänderten Marktverhältnissen sehr kurzfristig angepasst werden – mit teilweise schmerzlichen Eingriffen in den Personalbestand. Gleichzeitig investiert man in erheblichem Umfang sowohl in die regenerativen Energien als auch in die Kernkraft im Ausland und zwar dort, wo man der Kernkraft nicht so kritisch gegenüber steht.
Ein möglicherweise riskanter Schritt, wenn das deutsche Modell „Energieversorgung mit vornehmlich regenerativer Energie“ tatsächlich erfolgreich sein sollte, denn dann zieht das Ausland nach. Wie so oft ist Deutschland das Versuchskaninchen. Aber dagegen stehen per dato viele Probleme, wie z.B. die fehlende Möglichkeit, Strom zu speichern oder fehlende Netze (man spricht hier offen über ca. 3.500 km), die es – wenn vorhanden – ermöglichen sollen, den regenerativen Strom von Nord- nach Süd-Deutschland zu befördern. Ein schwieriges Vorhaben, wenn man an die zahlreichen Einsprüche von Bürgern denkt, durch deren Gebiete die Netzkabeltrassen laufen sollen. Aus heutiger Sicht ein fast unlösbares Problem, insbesondere wenn man an die nächsten zehn Jahre denkt, denn dann sollen alle Kernkraftwerke (heute stellen sie noch ca. 16% der gesamten Stromversorgung) abgeschaltet werden. Auch die energieintensiveren Branchen wie die Chemie- oder Aluminiumindustrie schauen sehr skeptisch auf diese Entwicklung und bereiten sich selbst schon auf den einen oder anderen „Shut Down“ durch geeignete Gegenmaßnahmen – sprich eigene Kleinkraftwerke – vor. Das Umweltministerium predigt gebetsmühlenmäßig davon, dass alles kein Problem wäre, verweist auf den derzeitigen Winter – der eigentlich keiner war – und extrapoliert die heutige Situation auf die nächsten Jahre. Aber wie sagte schon Adenauer vor zig Jahren „Was kann ich für mein Geschwätz von gestern“, wenn das Kind dann in den Brunnen gefallen sein sollte.
Welche Situation finden wir heute auf dem Energiemarkt vor?
Die vier Großen, E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall, haben mit ihren Strom-, Gas- und Kraftwerksaktivitäten einen erheblichen Einfluss auf den deutschen Energiemarkt. Dies betrifft sowohl das Groß- als auch im bestimmten Umfang das Endverbrauchergeschäft.
Daneben gibt es ca. 800 Stadtwerke, die oftmals von den Konzernen versorgt werden und die regionale Versorgung der Bevölkerung sicherstellen. Ein schwieriges Geschäft bei den klammen Kassen vieler Kommunen. Denn auch hier brechen die Ergebnisse aufgrund des Margenverfalls – insbesondere beim Gas – erheblich ein. Dies lässt manchen Bürgermeister darüber nachdenken, die Energieaktivitäten zu einem noch lukrativen Preis zu verkaufen oder aber einen interessanten Joint-Venture-Partner mit ins Boot zu nehmen.
Daneben gibt es noch ca. 80 bis 100 konzernunabhängige, meist mittelständische Strom- oder Gasanbieter, die mit ihrer aggressiven Preispolitik den etablierten und mehr politisch geführten Stadtwerken das Leben schwer machen. Manche dieser Mittelständler überleben diesen Preiskampf sicherlich nicht – wie man in der jüngsten Vergangenheit gesehen hat – aber hinterlassen verbrannte Erde und schaden damit dem Image der Energiebranche, das in den letzten Jahren sowieso gelitten hat.
Ein Blick in die Zukunft
Wie lange wird sich diese Anbieterstruktur noch auf dem deutschen Markt halten? Wann und in welchem Umfang wird es eine Konsolidierung geben? Kommen neue Anbieter hinzu und wo kommen sie her? Verstärkt sich der Trend zum Selbstversorger, sprich von den EVU´s unabhängige Bürger oder Gemeinden mit eigenen Erzeugungskapazitäten? Wenn ja, welchen Einfluss nimmt diese Entwicklung auf die Anbieterstruktur und damit auf den Energiemarkt? Ganz sicher wird sich nach der Energiewende vieles verändern. Laufende Informationen über Fukushima und dementsprechende Publikationen tragen von Tag zu Tag mehr dazu bei, was im Grundsatz – zumindest was die Kernkraftwerke anbelangt – nachvollziehbar ist.
Machen wir hier einen Exkurs auf den Mineralölmarkt, übrigens früher auch eine Domäne der E.ON (Veba Oel) oder RWE (RWE DEA). Hier hat sich die Anbieterstruktur – zumindest was die großen Player anbelangt – erheblich verändert.
Aus Veba Oel AG, Aral und BP wurde die heutige große BP. Aus Klöckner Energie, DEA und Shell wurde die heutige Shell-Organisation. Aus RAG Energiehandel, Winschermann, Total, Elf und Fina wurde die heutige Total-Organisation usw. Daneben entwickelte sich eine stabile, gut aufgestellte Mittelstandsschicht, die heute das Endverbrauchergeschäft im Mineralöhandel beherrscht. Auch hier werden wir in den nächsten 15 Jahren eine starke Konsolidierung von derzeit ca. 3.000 auf ca. 1.000 Firmen erleben. Der Absatzrückgang durch wärmedämmende Maßnahmen, der weiter rückläufige Kraftstoffabsatz durch benzinsparende Autos sowie die demographische Entwicklung tragen dazu bei. Die übrig bleibenden Mittelständler werden – versorgt durch die Großen oder Importe – das Endverbrauchergeschäft betreiben; die großen Mineralölkonzerne – das Großverbraucher, Industrie- und Handelsgeschäft.
Ähnlich könnten die Strukturen in der Gas- und Strombranche zukünftig aussehen. Das heißt, wir werden einen anderen Anbietermarkt bekommen als heute, der sich aus einigen wenigen Großen, ca. 300 bis 400 Stadtwerken und ca. 300 Mittelständlern zusammensetzt. Auch hier ein ähnliches Bild: Die Großen versorgen die Mittelständler und viele Stadtwerke, halten sich aber im wesentlichen aus dem Endverbrauchergeschäft heraus. Sie verfügen über die Upstream-Kapazitäten und eine auf die Großverbraucher und den Handel abgestimmte Organisation. Daneben wird der Import eine nicht zu unterschätztende Rolle spielen. Ob letzteres dann zu neuen Abhängigkeiten, die politisch nicht gewollt sein dürften, führen wird, bleibt abzuwarten.
Dies wird u.a. auch davon abhängig sein, ob neue Gas- oder Kohlekraftwerke ans Netz gehen dürfen oder nicht. Die Anbieterstruktur im klassischen Mittelstand dürfte übrigens zum Teil identisch sein mit der im Mineralölgeschäft, da heute schon eine Reihe von Mineralölhändlern die Gasversorgung von kleineren Gewerbebetrieben und Haushalten sicherstellt. Der Weg zum Stromanbieter ist daher nicht mehr so weit.
Was bleibt festzuhalten?
Der Energiemarkt wird sich in den nächsten Jahren in Deutschland erheblich verändern. Wir werden auf der einen Seite mehr Selbstversorger (Solar, Geothermie, Windkraft, Pellets) haben und auf der anderen Seite Kommunen mit eigenen Blockheizwerken, Windkraftparks etc. Dies wird Einfluss auf die Geschäftsaktivitäten und Ergebnisse der etablierten Anbieter nehmen, die sich jetzt schon auf diese Situation einstellen müssen. Hier ist eine hohe Flexibilität und an die Märkte erforderliche Anpassungsfähigkeit gefragt. Der Kunde ist König und als solcher will er auch behandelt werden. Die künftige Anbieterstruktur wird es ihm ermöglichen, schneller den Versorger zu wechseln als heute.
Dies bedeutet übrigens auch, dass sich die Anforderungen an die heutige Managergeneration in der Energiebranche verändern werden. Führungskräfte müssen schneller auf exogene Einflüsse reagieren und stark kundenorientiert denken, was einigen in den letzten 10 Jahren schwer gefallen ist. Der Konkurrenzkampf wird größer werden. Wir werden neue ausländische Anbieter sehen, die wir bisher noch nicht auf der Agenda haben. Der deutsche Energiemarkt ist für namhafte ausländische Energieunternehmen durchaus attraktiv, was man an den intensiven Gesprächen in der letzten Zeit sieht. Auf diese Situation sollten sich die verantwortlichen Unternehmer und Konzernlenker frühzeitig einstellen. Wir stehen vor einem spannenden Energiezeitalter!
Claus-Peter Barfeld, Geschäftsfüh¬render Gesellschafter der Barfeld & Partner GmbH
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