Berlin, 13.12.2019 – Der Umgang mit nicht einwilligungsfähigen
Menschen an ihrem Lebensende stellt Angehörige und Ärzte vor schwierige und
belastende Entscheidungen. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn eine
Patientenverfügung vorliegt. Entspricht der geäußerte Wunsch des Patienten
seinen aktuellen Vorstellungen? Bezieht sich der niedergelegte Wille auf die
konkrete Behandlungssituation? Für Klarheit kann das Konzept des Advance Care
Planning (ACP) sorgen. Es setzt auf einen fortlaufenden Beratungs- und
Dokumentationsprozess mit Hilfe von fachlich geschulten Gesprächsbegleitern und
bezieht auch sich ändernde Behandlungspräferenzen des Patienten mit ein. Bereits
im Jahr 2015 wurde mit dem Hospiz- und Palliativgesetz die Finanzierung von ACP
in stationären Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe für
Menschen mit Behinderungen verankert. Menschen in Einrichtungen des Betreuten
Wohnens und in der häuslichen Umgebung sind davon nicht erfasst. Die Zentrale
Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (ZEKO) plädiert dafür, diese
Möglichkeit der vorsorglichen Willensbekundung breit zu unterstützen. In einer
heute vorgelegten Stellungnahme zeigt sie Chancen, Risiken und Herausforderungen
von ACP auf.
„Wenn Menschen qualifiziert dabei unterstützt werden, sich eine Meinung über
mögliche medizinische Maßnahmen an ihrem Lebensende zu bilden, profitieren davon
nicht nur die Betroffenen selbst. Auch Angehörige und Ärzte werden in
schwierigen Entscheidungssituationen entlastet“, sagte
Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt anlässlich der Veröffentlichung
der Stellungnahme. ACP stelle deshalb eine sinnvolle Ergänzung zu den bewährten
Möglichkeiten der vorsorglichen Willensbekundung dar.
Konkret handelt es sich bei Advance Care Planning um ein Konzept, das in den
letzten 30 Jahren von den USA, Australien und Kanada ausgehend entwickelt wurde.
Unter Einbindung der etablierten rechtlichen Vorsorgeinstrumente beinhaltet das
Konzept einen auf die Bedürfnisse des Einzelnen ausgerichteten Kommunikations-
und Gesprächsprozess und bezieht die relevanten Akteure des Versorgungssystems
mit ein, um die Umsetzung der erstellten Vorausverfügungen zu gewährleisten. Die
Basis der Gespräche bildet die Ermittlung individueller Wertvorstellungen zum
Leben, zu schwerer Krankheit und zum Sterben. Diese persönlichen Einstellungen
liefern nicht nur die Grundlage für die Entscheidung über die generelle
Ausrichtung einer medizinischen Behandlung, sondern auch für konkretere
Therapieziele.
Die ZEKO betont in ihrer Stellungnahme aber auch die Notwendigkeit eines
verantwortungsvollen Umgangs mit ACP. Bei Patienten dürfe keinesfalls der
Eindruck eines faktischen Zwangs zur Vorausplanung entstehen. „Der geeignete
Zeitpunkt für ein ACP-Gespräch ist sensibel zu wählen“, sagte Prof. Dr. jur.
Jochen Taupitz, Vorsitzender der ZEKO. Auch müsse kritisch geprüft werden, ob im
Einzelfall eine proaktive Thematisierung von ACP zu Belastungen bei Betroffenen
führen kann. Möglich sei dies zum Beispiel bei neu aufgenommenen Bewohnern in
einer stationären Einrichtung, die ohnehin Schwierigkeiten haben, sich in der
neuen Umgebung zurecht zu finden. „Umgekehrt kann es bei Menschen mit
beginnender Demenz sinnvoll sein, ihnen rechtzeitig vor Eintritt der
Einwilligungsunfähigkeit eine noch selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen“,
erläuterte Taupitz.Auch wenn es in Deutschland mittlerweile eine Vielzahl an
unterschiedlich ausgestalteten Konzepten für die gesundheitliche Vorausplanung
gibt, befinden sich spezifische, in die medizinische Grundversorgung integrierte
ACP-Konzepte, die eine systematische Implementierung von vorausverfügten
Willensbekundungen umfassen, noch in den Anfängen.
„Die ZEKO möchte mit der vorgelegten Stellungnahme eine breite und
differenzierte Diskussion anstoßen, wie eine Vorausplanung von
Behandlungsentscheidungen mittels ACP effektiv unterstützt und möglichst breit
zugänglich gemacht werden kann“, so Taupitz.
Stellungnahme zu Advance Care Planning:
https://www.zentrale-ethikkommission.de/ACP2019/
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