
Größtes Zusatzpotenzial in strukturschwächeren Regionen, geringere
Effekte hingegen in Hochpreisregionen – Wirkung ähnlich wie beim
Baukindergeld
Mit der Einführung des Baukindergelds hat die Große Koalition ein
wichtiges Vorhaben zur Stärkung der Wohneigentumsbildung bereits
umgesetzt. Andere Punkte aus dem Koalitionsvertrag auf dem
Politikfeld Wohnen, die ebenfalls darauf abzielen, Bauherren und
Käufer zu entlasten, sind noch offen. Dazu gehört unter anderem das
Vorhaben, „einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer beim
erstmaligen Erwerb von Wohngrundstücken“ zu prüfen. Wie sich ein
Freibetrag bei gegebenen Steuersätzen und den jeweiligen
Immobilienpreisniveaus in den Regionen auswirken würde, dieser Frage
ist LBS Research in Zusammenarbeit mit dem
Immobilienforschungsinstitut empirica nachgegangen. Das Ergebnis:
Bereits bei einem relativ niedrigen Freibetrag von 100.000 Euro würde
sich das Potenzial an jungen Ersterwerberhaushalten rechnerisch um
gut 18.000 auf 309.000 Haushalte (plus 6 Prozent) erhöhen. Regional
würde sich ein Freibetrag – ähnlich wie beim Baukindergeld –
allerdings sehr unterschiedlich auswirken.
Wie LBS Research mitteilt, haben die Wissenschaftler für die
Modellrechnung zunächst das „natürliche“ Ersterwerberpotenzial
ermittelt. Dazu zählen sie definitionsgemäß Mieterhaushalte im Alter
zwischen 30 und 44 Jahren, die sowohl über ausreichend Eigenkapital
(mindestens 25 Prozent des Kaufpreises zzgl. Nebenkosten) als auch
über ausreichend Einkommen (Einkommensbelastung durch Zins und
Tilgung maximal 35 Prozent) verfügen, um sich eine ortsübliche
Immobilie (regionalspezifische Gewichtung von Eigentumswohnungs- und
Eigenheimpreisen) leisten zu können. Diese Voraussetzungen erfüllen
aktuell 291.000 Haushalte in Deutschland. Werde nun unterstellt, dass
ein Betrag von 100.000 Euro von der Grunderwerbsteuer befreit sei,
resultierten daraus zusätzlich 18.400 Haushalte, die durch den dann
niedrigeren Eigenkapitalbedarf in der Lage wären, ein Haus oder eine
Wohnung zu erwerben.
Naturgemäß ist die Entlastung durch einen Freibetrag dort höher,
wo die höchsten Grunderwerbsteuersätze vorherrschen. In Bundesländern
mit hohen Steuersätzen zwischen 6 und 6,5 Prozent wächst das
Zusatzpotenzial um wenigstens 7 Prozent, in Ländern mit „niedrigen“
Steuersätzen von 3,5 Prozent nur um 4 Prozent. LBS Research weist
darauf hin, dass die Auswirkung eines Freibetrags ganz wesentlich
allerdings auch vom regionalen Preisniveau beeinflusst werde. In der
Gesamtschau sei festzustellen, dass ein Freibetrag von 100.000 Euro
bei der Grunderwerbsteuer überproportional in Regionen mit niedrigen
Immobilienpreisen wirken würde, während in wirtschaftsstarken
Regionen mit hohen Kaufpreisen ein solcher Freibetrag weniger ins
Gewicht fiele (siehe Grafik).
Die Wissenschaftler haben in den Modellrechnungen weitere
Varianten „durchgespielt“, u. a. einen „hohen“ Freibetrag von 200.000
Euro. „Hoch“ deshalb, weil in Niedrigpreisregionen ein solcher
Freibetrag in vielen Fällen gleichbedeutend mit einer Abschaffung der
Grunderwerbsteuer wäre. In diesem Szenario würde sich das
Zusatzpotenzial an Ersterwerbern auf 34.000 Haushalte fast verdoppeln
– mit ähnlichen, aber nicht ganz so stark ausgeprägten
Verteilungswirkungen wie in der Variante „Freibetrag von 100.000
Euro“.
Aufgrund des heterogenen Immobilienmarkts in Deutschland mit
Schrumpfungsregionen einerseits und extrem teuren Regionen
andererseits wirken einheitliche Freibeträge bei der
Grunderwerbsteuer immer verzerrend. Analog zu den regionalen
Verteilungswirkungen beim Baukindergeld begünstigen sie relativ
stärker Regionen außerhalb der nicht mehr erschwinglichen Großstädte
und Ballungsräume. Wenn dies politisch gewollt ist – z. B. als
Haltefaktor zur Reduzierung der Abwanderung in die Städte -, so die
Wissenschaftler, können Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer, wie
sie laut Koalitionsvertrag geprüft werden sollen, eine sinnvolle
Maßnahme sein. Um die Entlastungswirkung in Wachstumsregionen zu
verstärken, müsste über gestaffelte Freibeträge nachgedacht werden,
allerdings würde dies sofort die Komplexität erhöhen.
Geeigneter sei deshalb die Rückkehr zu einer bundesweit
einheitlichen Besteuerung des Erwerbs von Grund und Boden. Ein
Grunderwerbsteuersatz von zum Beispiel einheitlich 3 Prozent würde
ebenfalls ein Zusatzpotenzial von 18.000 Haushalten generieren.
Dieses Potenzial wäre relativ gleich verteilt über die
unterschiedlichen Regions-, Kreis- und Stadttypen. Doch auch in
dieser Variante gäbe es zwei Ausreißer: Die Bundesländer Bayern und
Sachsen könnten aufgrund ihres relativ niedrigen
Grunderwerbsteuersatzes von 3,5 Prozent kaum mit Zusatzpotenzialen
rechnen.
Eine Absenkung der hohen Erwerbsnebenkosten durch Entlastung bei
der Grunderwerbsteuer ist nach Auffassung der Wissenschaftler mehr
denn je geboten, da durch hohe Grunderwerbsteuern die Eintrittshürde
zum Wohneigentum immer höher geworden ist. Dazu beigetragen haben
nicht nur die in den letzten Jahren erfolgten
Grunderwerbsteuererhöhungen um bis zu 86 Prozent von seinerzeit 3,5
auf 6,5 Prozent, z. B. in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland,
Schleswig-Holstein und Thüringen, sondern auch die rasant gestiegenen
Immobilienpreise. Das für den Erwerb notwendige Eigenkapital ist
nicht in gleichem Tempo mitgewachsen. Die Folge ist, so die Experten
von LBS Research, dass Tausende von privaten Schwellenhaushalten nach
jahrelangem Konsumverzicht zugunsten hoher Ansparleistungen den
Wohneigentumserwerb um viele Jahre verschieben müssen oder ihn wegen
der inzwischen weiter gestiegenen Boden- und Baupreise sich überhaupt
nicht mehr leisten können. Die Grunderwerbsteuer stelle im Ergebnis
nicht nur ein Hemmnis für den Vermögensaufbau weniger wohlhabender
Haushalte dar, sondern belaste insgesamt auch den Neubau.
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