AOK: Reformvorhaben erst auf halber Strecke

Konstruktionsfehler und schwere Ausgabenrisiken
bemängelt der AOK-Bundesverband an den Gesetzesentwürfen der Großen
Koalition. Mit Blick auf die heutigen Kabinettsbeschlüsse zum
GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) und Präventionsgesetz
(PrävG) sowie das Anfang Dezember beschlossene Eckpunktepapier zur
Krankenhausreform sagte der Vorstandsvorsitzende Jürgen Graalmann:
„Die Große Koalition hat 2014 zahlreiche Reformvorhaben auf die
Schienen gesetzt. Die damit verbundenen Ausgabensteigerungen werden
allein den Beitragszahlern aufgeladen. Ob aber die angekündigte
Qualitätsoffensive mit patientenrelevanten Änderungen in Gang kommt
oder wieder nur weitere Milliardentransfers für Ärzte und
Krankenhäuser herausspringen, ist noch völlig offen.“

So bleibe etwa der Gesetzesentwurf zum GKV-VSG an entscheidenden
Stellen inkonsequent. „Natürlich ist es richtig, die Nachbesetzung
von Arztsitzen in überversorgten Gebieten zu stoppen. Da reicht es
aber nicht, aus der bisherigen Kann-Regelung eine Soll-Bestimmung zu
machen.“

Bei Stimmgleichheit zwischen Ärzteschaft und Krankenkassen im
Zulassungsausschuss falle die Entscheidung heute automatisch
zugunsten einer Nachbesetzung aus. Werde hier nicht nachgebessert und
der Abstimmungsmodus geändert, laufe auch eine Soll-Bestimmung ins
Leere. Gleichzeitig kritisierte Graalmann noch einmal die im GKV-VSG
geplante Pauschalanhebung der Arzthonorare in einigen Regionen. „Mit
mehr Qualität hat das nichts zu tun. Für regionale
Vergütungsunterschiede gibt es gute strukturelle Gründe. Dort, wo die
ambulanten Ausgaben höher ausfallen, sind auch die
Krankenhausausgaben geringer.“ Der Kosteneffekt allein dieser
Konvergenz-Regelung wird auf rund 500 Millionen Euro geschätzt.

Große Ausgabensprünge, kleine Versorgungseffekte

Auch im Präventionsbereich ist mit erheblichen Kostensteigerungen
zu rechnen, das Ministerium beziffert die jährlichen Mehrausgaben der
Kassen auf bis zu 270 Millionen Euro. Graalmann erkennt hier ein
wiederkehrendes Handlungsmuster: „Schnell einigt sich die Politik auf
den Hauptfinanzier. Dabei bleibt die Lastenverteilung unausgewogen.“
Zwar sei es in Ordnung, die GKV noch stärker in die Pflicht zu
nehmen, aber das Engagement könne nicht allein von den Krankenkassen
kommen, hier müssten Bund, Länder und Kommunen sowie die anderen
Sozialversicherungsträger oder die private Krankenversicherung mehr
leisten. „Wir brauchen mehr finanzielle Verbindlichkeit für alle
Akteure.“ Außerdem sei es grundfalsch, dass der Beitragszahler
künftig eine staatliche Einrichtung wie die Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung finanziert. „Wir haben die Sorge, dass
dabei vor allem Papiertiger und Plakataktionen herauskommen zu Lasten
konkreter Präventionsprojekte vor Ort in Kitas und Schulen.“

Auch beim größten Reformvorhaben, der Krankenhausreform, vermisst
Graalmann die Stringenz: „Der Kompromiss in der
Bund-Länder-Arbeitsgruppe stand lang auf der Kippe. Daher ist es
erfreulich, dass sich die Politik auf diesem zentralen Feld der
Gesundheitsversorgung handlungsfähig zeigt. Und mit dem geplanten
Strukturfonds soll endlich auch das Problem einer nicht mehr
zeitgemäßen Krankenhauslandschaft angegangen werden. Der Bund greift
dabei aber nicht auf die eigenen Finanzmittel, sondern die des
Gesundheitsfonds zurück.“ Gleichzeitig bleibe die Umsetzung des
Qualitätsprozesses auf Landesebene ziemlich unverbindlich und das
dortige Investitionskostendilemma ungelöst.

Die Gesetzgebungsverfahren stünden erst am Anfang. Noch habe es
die Große Koalition selbst in der Hand, echte Strukturreformen mit
mehr Qualität zugunsten der Patientinnen und Patienten durchzusetzen.
Die AOK werde sich dabei weiter konstruktiv einbringen, so Graalmann.
„Wir sind da, wenn es darauf ankommt.“

Pressekontakt:
Ihr Ansprechpartner in der Pressestelle:
Dr. Kai Behrens
Tel. 030 34646-2309
E-Mail: presse@bv.aok.de