Die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen 
Krankenversicherung (GKV) haben 2015 das neue Rekordniveau von 36,9 
Milliarden Euro erreicht. Damit sind die Kosten in nur zwei Jahren um
4,8 Milliarden Euro gestiegen. Wie der heute veröffentlichte 
Arzneiverordnungs-Report 2016 zeigt, ist diese Entwicklung zum 
größten Teil durch den Patentmarkt begründet. Der patentgeschützte 
Fertigarzneimittelmarkt verursachte im Vergleich zum Jahr 2014 
Mehrkosten von 1,3 Milliarden Euro und ist auf 14,9 Milliarden Euro 
angewachsen. Der Ausgabenanstieg lag in diesem Segment bei 9,7 
Prozent und fiel damit mehr als doppelt so hoch aus wie der des 
Gesamtmarktes (+ 4,3 Prozent). Durch die frühe Nutzenbewertung und 
die damit einhergehenden Verhandlungen der Erstattungsbeträge, die 
mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) 2011 
eingeführt wurden, konnten bei den patentgeschützten neuen 
Arzneimitteln 2015 rund 925 Millionen Euro eingespart werden.
   „Doch diese Summe hätte noch deutlich höher ausfallen können, wenn
das AMNOG nicht an vielen Stellen aufgeweicht worden wäre, zum 
Beispiel bei der Bestandsmarktbewertung“, sagte Prof. em. Dr. med. 
Ulrich Schwabe, Herausgeber des Arzneiverordnungs-Reports. Der 
Referentenentwurf für das GKV-Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz
(AM-VSG) würde diese Entwicklung leider fortsetzen. „Die angestrebten
Änderungen dienen offenbar nur dazu, das Hochpreisland Deutschland 
als Referenz für andere europäische Länder zu erhalten. Die Kosten 
für diese Politik werden auf die deutschen Patienten abgewälzt“, so 
Schwabe.
   Und diese Kosten sind in den letzten Jahren stark gestiegen. So 
lag der durchschnittliche Apothekenverkaufspreis eines patentierten 
Arzneimittels im Jahr 2015 bei rund 369 Euro und ist damit gegenüber 
2006, also in nur neun Jahren, um 180 Prozent gestiegen. Damit ist 
der Apothekenverkaufspreis für patentgeschützte Arzneimittel pro 
Verordnung im Mittel fast 13-mal so hoch wie bei generischen 
Arzneimitteln, die 2015 rund 29 Euro gekostet haben. „Der deutsche 
Patentmarkt erweist sich auch im europäischen Vergleich als besonders
teuer“, sagte Jürgen Klauber, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen 
Instituts der AOK (WIdO) und verwies auf eine europäische 
Preisvergleichsstudie, die das WIdO gemeinsam mit der Technischen 
Universität Berlin durchgeführt hat. Verglichen wurden die 
Listenpreise auf Herstellerebene für 250 patentgeschützte Produkte 
aus acht europäischen Ländern (Belgien, Dänemark, Finnland, 
Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Österreich und 
Schweden). In Deutschland gibt es demnach ein theoretisches 
Einsparpotenzial von 25,2 Prozent des Herstellerumsatzes bzw. 3,2 
Milliarden Euro. Berücksichtigt man im Vergleich weiter einseitig die
für Deutschland bekannten Preissenkungen (Herstellerrabatt und 
AMNOG-Verhandlungsergebnis), und damit die Realpreise, ergibt sich, 
konservativ berechnet, ein Einsparpotenzial von 1,44 Milliarden Euro.
„Dieser Wert dürfte das reale Einsparpotenzial in Deutschland 
deutlich unterschätzen, weil bei den Vergleichspreisen im Ausland 
keine gewährten Rabatte berücksichtigt sind, die man zum Potenzial 
hinzurechnen muss. Leider sind diese Rabatte vertraulich, d.h. 
unbekannt“, so Klauber weiter.
   Vor allem bei den Onkologika gibt es einen steten Anstieg der 
Kosten, der in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird. Nach 
Prognosen des IMS Institute for Healthcare Informatics werden 2020 
allein die fünf im Umsatz führenden europäischen Länder (Deutschland,
Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien) mehr als 30 Milliarden 
US-Dollar für Onkologika ausgeben. Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig,
Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: 
„Bei der Entwicklung neuer Krebs-Therapien steht häufig das 
ökonomische Interesse der pharmazeutischen Unternehmer im 
Vordergrund. Dementsprechend ist das Design der klinischen Studien 
eher auf eine rasche Zulassung als auf den Nachweis eines 
überzeugenden therapeutischen Fortschritts ausgerichtet. Die 
Gesundheitspolitik muss dem von der Pharmaindustrie verfolgten 
Prinzip einer vorwiegend marktwirtschaftlich orientierten 
Preisgestaltung wirksamer begegnen.“ So müsse u.a. die späte 
Nutzenbewertung, die zwei bis drei Jahre nach Markteintritt ansetzt, 
stärker an Bedeutung gewinnen.
   Im aktuellen Entwurf des AM-VSG ist dies jedoch nicht vorgesehen. 
Vielmehr finden sich viele Wünsche der Pharmafirmen wider, wie der 
Verzicht auf eine öffentliche Listung des Erstattungspreises. „Dabei 
gibt es keinerlei Belege dafür, dass intransparente Preise zu höheren
Rabatten der Pharmaindustrie führen. Stattdessen haben sie 
nachweislich Mehrkosten für alle zur Folge“, sagte Martin Litsch, 
Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Die Bundesregierung 
bliebe mit dem Entwurf des 
GKV-Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes die Antwort darauf 
schuldig, wie die Arzneimittelversorgung trotz stark steigender 
Preise bei neuen Medikamenten auch in Zukunft für alle Patienten ohne
Einschränkungen sichergestellt werden soll. „Für die 
Hochpreisentwicklung bei den patentgeschützten Arzneimitteln gibt es 
derzeit kein adäquates Gegenmittel der Politik. Besser als das AMNOG 
so lange aufzuweichen bis nur noch ein AMNOG 0.5 übrig bleibt, wäre 
ein Reformverzicht“, so Litsch.
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