Bundesarbeitsgericht: Zweifel am Kopftuchverbot – Europäischer Gerichtshof soll das letzte Wort haben

Darf ein Arbeitgeber in seinem Unternehmen strikte
Neutralität verordnen und jedes sichtbare Zeichen religiöser oder
weltanschaulicher Überzeugung bei seinen Arbeitnehmern verbieten?
Einiges spricht dagegen, entschied das Bundesarbeitsgericht heute.
Eine abschließende Entscheidung traf das Gericht aber nicht, sondern
legte den Fall zur Beurteilung heute dem Europäischen Gerichtshof
vor. Dieser solle sich zum Verhältnis deutscher Religionsfreiheit und
unionsrechtlich garantierter unternehmerischer Freiheit äußern. Prof.
Dr. Michael Fuhlrott, Arbeitsrechtler und Professor an der Hochschule
Fresenius in Hamburg, bewertet die Entscheidung.

Der Arbeitgeber darf in Ausübung seines arbeitgeberseitigen
Direktionsrechts (§ 106 Gewerbeordnung) Weisungen zum Inhalt, Ort und
Zeit der Arbeitsleistung erteilen. Unter den Inhalt der
Arbeitsleistung fallen auch Bekleidungsvorschriften, wie etwa das
Tragen von Dienstuniformen. Bei der Ausübung des Direktionsrechts
muss aber auch auf die Grundrechte des betroffenen Arbeitnehmers
geachtet werden. Diese sind mit dem berechtigten Interesse des
Arbeitgebers abzuwägen. Die im Grundgesetz (GG) garantierte
Religionsfreiheit (Art. 4 GG) ist daher zu Gunsten des Arbeitnehmers
zu berücksichtigen. Das Tragen eines Kopftuchs ist daher
unzweifelhaft Ausdruck der Religionsfreiheit.

Religionsfreiheit vs. unternehmerische Betätigungsfreiheit

Ob ein Arbeitgeber unter Berufung auf seine unternehmerische
Betätigungsfreiheit jedwedes Zeichen religiöser Überzeugung verbieten
darf und dies auf eine strikte Neutralität zur Vermeidung etwaiger
innerbetrieblicher Konflikte stützen darf, musste das BAG daher am
heutigen Tage beurteilen. Eine Drogeriemarktkette hatte eine als
Kassiererin beschäftigte Arbeitnehmerin angewiesen, kein Kopftuch
mehr zu tragen. Die Arbeitnehmerin klagte hiergegen.

BAG: Kopftuchverbot nur ausnahmsweise erlaubt

Das BAG setzte mit seiner heutigen Entscheidung (Beschluss. v.
30.1.2019, 10 AZR 299/18) die Sache aus und legte dem Fall dem EuGH
vor. Dieser müsse entscheiden, ob eine Ungleichbehandlung wegen der
Religion aufgrund einer internen Regel eines privaten Unternehmens
angemessen sei, die das Tragen von Zeichen religiöser, politischer
und sonstiger weltanschaulicher Überzeugen verbiete. Hierbei solle
der EuGH insbesondere würdigen, ob die Vorgaben der deutschen
Verfassung zur Religionsfreiheit notfalls dahinter zurücktreten
müssten.

Widerspruch zu europäischen Vorgaben

Prof. Dr. Fuhlrott hält die Vorlageentscheidung für richtig: „Der
Europäische Gerichtshof tendiert in vergleichbaren Fällen zu einer
arbeitgeberfreundlicheren Sichtweise. Er sieht den Wunsch nach
strikter betrieblicher religiöser Neutralität allein als
gerechtfertigt an. Die Darlegung konkreter Störungen, wie es die
deutschen Gerichte in derartigen Fällen verlangen, ist nicht
erforderlich. Es ist daher nur konsequent, dass der EuGH angerufen
worden ist“, so Fuhlrott weiter. „Der EuGH räumt der
unternehmerischen Freiheit damit ein höheres Gewicht als der
Religionsfreiheit ein. Die Äußerung oder das Zeigen religiöser
Überzeugungen darf ein Arbeitgeber hiernach verbieten, solange
gleiches Recht für alle gilt: Das Kopftuch muss dann ebenso verboten
sein wie das sichtbare Tragen eines Halsbandes mit einem Kreuz“,
meint Fuhlrott. „Religiöse Überzeugungen bleiben damit Privatsache.
Der EuGH hat ferner nunmehr die Gelegenheit, sich grundlegend zur
Bedeutung der deutschen Religionsfreiheit im Verhältnis zu
europäischen Vorgaben zu äußern“, urteilt Fuhlrott.

Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeitsrecht an der
Hochschule Fresenius sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner
bei der Kanzlei FHM – Fuhlrott Hiéramente & von der Meden
Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Hamburg.

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