Der blinde Fleck des deutschen Rechtssystems / 99 Jahre nach der Verkündigung der Weimarer Verfassung sollte das Gebot der weltanschaulichen Neutralität stärkere Beachtung finden

Heute vor 99 Jahren, am 14. August 1919,
trat die Weimarer Reichsverfassung in Kraft. Mit dem 99. Geburtstag
des demokratischen Verfassungsstaates beginnt auch das „100. Jahr des
Verfassungsbruchs“, denn bis zum heutigen Tag wurde nicht umgesetzt,
was die Weimarer Verfassung gefordert hatte, nämlich die
Gleichbehandlung aller Religionen und Weltanschauungen sowie die
Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung zur
Trennung von Staat und Kirche (Art. 136, 137 und 138 WRV) wurden 1949
in das deutsche Grundgesetz aufgenommen (Art. 140 GG) – was jedoch
weitgehend folgenlos blieb. Daher haben die Giordano-Bruno-Stiftung
(gbs) und das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) zum heutigen
„99. Geburtstag des Verfassungsstaates“ einen
„Verfassungsbruch-Ticker“ veröffentlicht, der anzeigt, wie lange die
führenden Politikerinnen und Politiker Deutschlands das Gebot der
weltanschaulichen Neutralität des Staates bereits missachten.

Im „100. Jahr des Verfassungsbruchs“ werden gbs und ifw
verschiedene Aktivitäten entfalten, um für diesen „viel zu selten
thematisierten Rechtsskandal“ ein größeres gesellschaftliches
Bewusstsein zu schaffen. Den Auftakt macht die Online-Publikation
eines rechtsphilosophischen Grundsatzartikels von Michael
Schmidt-Salomon, der den „blinden Fleck des deutschen Rechtssystems“
analysiert und dessen weitreichende Folgen vor Augen führt.

Schmidt-Salomons Text bestimmt die argumentative Stoßrichtung, die
säkular denkende Menschen in den nächsten Jahren einschlagen sollten.
Dabei thematisiert der Philosoph und Vorstandssprecher der
Giordano-Bruno-Stiftung u.a. die Verantwortung der
Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die sich bei
Gesetzgebungsverfahren keineswegs auf ihr „religiöses Gewissen“
berufen dürften, da sie gerade durch die „Gewissensformel“ der
Verfassung (Art. 38 Abs. 1 GG) dazu verpflichtet seien, dem Gebot der
weltanschaulichen Neutralität zu folgen.

In Kontrast zu den bestehenden gesetzlichen Regelungen macht
Schmidt-Salomon klar, wie etwa die Bestimmungen zum
Schwangerschaftsabbruch, zur öffentlichen Bildung, zum Arbeitsmarkt
oder zur Sterbehilfe aussehen müssten, wenn sie dem „Gebot einer
rationalen, evidenzbasierten und weltanschaulich neutralen
Rechtsbegründung“ genügen würden. Dem sogenannten
„Böckenförde-Diktum“ („Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt
von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“), das auch
Kanzlerin Angela Merkel immer wieder gerne zitiert, stellt
Schmidt-Salomon ein „alternatives Diktum“ entgegen: „Der
freiheitliche, säkularisierte Staat darf sich nicht auf
Voraussetzungen berufen, die er nicht selbst geschaffen hat, sofern
dies zur illegitimen Einschränkung bürgerlicher Freiheiten führt.“

Hier finden Sie den vollständigen Aufsatz „Der blinde Fleck des
deutschen Rechtssystems“: http://ots.de/M4TGd2

Zusammenfassung des Grundlagenartikels:
https://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/der-blinde-fleck

„Verfassungsbruch-Ticker“:
https://www.giordano-bruno-stiftung.de/inhalt/verfassungsbruch-ticker

Pressekontakt:
Elke Held (gbs-Pressebüro), http://ots.de/ygL23v

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