Das Bündnis für Tierschutzpolitik verurteilt den 
Vorstoß des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, die 
betäubungslose Ferkelkastration für weitere fünf Jahre zuzulassen. 
Die Argumente der bayerischen Staatsregierung rechtfertigen 
keinesfalls, das seit 2013 beschlossene Ende dieser tierquälerischen 
Praxis noch länger hinauszuzögern. Um das ab 2019 geltende Verbot 
noch zu kippen, hat Söder am 22. August einen Antrag zur Änderung des
Tierschutzgesetzes im Bundesrat eingebracht. Die bald endende 
Übergangsregelung soll demnach bis zum 31. Dezember 2023 verlängert 
werden. Über diesen Gesetzentwurf berät heute der Ausschuss für 
Agrarpolitik und Verbraucherschutz des Bundesrats.
   »Die äußerst schmerzhafte Kastration ohne Betäubung war schon 
immer skandalös«, sagt Marietheres Reinke, Tierärztin und Leiterin 
des Fachbereichs Tiere und Tierschutz der Albert Schweitzer Stiftung 
für unsere Mitwelt. »Es gibt bereits drei gangbare Alternativen, die 
sich auch in der Praxis bewährt haben. Das Warten auf weitere 
Forschungsergebnisse ist kein ausreichender Grund, um das 
Tierschutzgesetz erneut zu ändern. Jetzt eine Fristverlängerung zu 
fordern, ist vollkommen inakzeptabel.«
   Der Grund für die Kastration ist der für manche Menschen 
unangenehme Ebergeruch, den das Fleisch von unkastrierten männlichen 
Mastschweinen bisweilen annehmen kann. Nach Ansicht des Bündnisses 
für Tierschutzpolitik sollten statt Kastration möglichst keine oder 
nur geringe Eingriffe bei den Ferkeln erfolgen wie im Fall der 
Ebermast. Bei dieser erfolgt keine Amputation der Hoden. Die Betriebe
müssen hierbei zwar für verbesserte Haltungsbedingungen sorgen, um 
Auseinandersetzungen der Jungeber zu vermeiden; den intelligenten 
Tieren mehr Platz und Beschäftigung zu bieten, ist aber ohnehin 
dringend notwendig. Eine weitere Möglichkeit ist die 
Immunokastration: Diese Impfung verhindert den Ebergeruch des 
Fleischs, indem sie die Geschlechtsreife der Tiere unterdrückt.
   Ein für die Tiere vergleichsweise stress- und risikoarmer Eingriff
ist die Kastration unter Inhalationsnarkose mit dem Arzneimittel 
Isofluran. Das Verfahren wird seit Jahren etwa in Bio- und 
Neuland-Betrieben eingesetzt. Hierfür ist bislang eine sogenannte 
Umwidmung des bewährten Narkosegases erforderlich, weil in 
Deutschland die Zulassung für Schweine noch fehlt. Mit dieser ist 
allerdings in absehbarer Zeit zu rechnen. Da eine hygienisch 
unbedenkliche, überbetriebliche Nutzung der Narkosegeräte möglich 
ist, lassen sich die für einen einzelnen Betrieb recht hohen 
Anschaffungskosten deutlich verringern.
Der »4. Weg« ist keine Lösung
   Vor der von der Fleischwirtschaft präferierten lokalen Anästhesie 
warnen hingegen etliche Verbände aus der Tierärzteschaft und dem 
Tierschutz: Die Kastration mit lediglich örtlicher Betäubung (»4. 
Weg«) verursacht den Ferkeln Stress und erhebliche Schmerzen. Ohne 
tierärztliche Kompetenz durchgeführt, ist sie zudem risikoreich und 
kann bei fehlerhafter Durchführung gar tödliche Folgen haben.
   Die bislang für 2019 vorgesehene ausnahmslose Betäubungspflicht 
bei der Ferkelkastration würde jährlich etlichen Millionen männlichen
Ferkeln in Deutschland die grausame Prozedur ersparen. Die bisherige 
Praxis ist nur aufgrund von ungerechtfertigten Ausnahmen von den 
Vorgaben im Tierschutzgesetz möglich, dem Amputationsverbot ( § 6) 
und der Betäubungspflicht (§ 5).
   »Wir hoffen, dass die anderen Bundesländer nicht Söders 
fadenscheinigen Argumenten folgen und sich vor seinen Karren spannen 
lassen«, sagt Konstantinos Tsilimekis, Geschäftsleiter der Albert 
Schweitzer Stíftung. Der Bund gegen Missbrauch der Tiere und PROVIEH 
haben gemeinsam alle Bundesratsmitglieder des Agrarausschusses 
angeschrieben und um deren Stimme für das fristgerechte Ende der 
betäubungslosen Ferkelkastration gebeten. Voraussichtlich am 21. 
September soll der Bundesrat über den Gesetzentwurf abstimmen. Danach
bedarf es noch der Zustimmung des Bundestags.
Über das Bündnis für Tierschutzpolitik
   Das Bündnis für Tierschutzpolitik ist ein seit 2015 bestehender 
Zusammenschluss der Tierschutzorganisationen Albert Schweitzer 
Stiftung für unsere Mitwelt, Bundesverband Tierschutz e.V., Bund 
gegen Missbrauch der Tiere e.V., PROVIEH e.V. sowie VIER PFOTEN – 
Stiftung für Tierschutz.
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