Wie muss der Geflügelstall der Zukunft aussehen?
Wie lassen sich Tierwohl, Umweltschutz, Biosicherheit und
Wirtschaftlichkeit unter einen Hut bringen? Mit diesem spannenden und
wichtigen Themenkomplex hat sich die Internationale Geflügelkonferenz
befasst, zu welcher der ZDG Zentralverband der Deutschen
Geflügelwirtschaft e. V. gemeinsam mit der DLG (Deutsche
Landwirtschafts-Gesellschaft) und dem European Poultry Club
anlässlich der EuroTier in Hannover eingeladen hatte. Unter dem Titel
„Tierwohl. Umweltschutz. Biosicherheit. Drei Ziele = ein Stall?“
diskutierten Wissenschaftler, Praktiker und Vertreter von Tier- und
Umweltschutzverbänden vor mehreren hundert Gästen. Fazit nach zwei
Stunden engagierter und durchaus kontroverser Diskussion: Eine
einfache Lösung für die teilweise im direkten Zielkonflikt stehenden
Herausforderungen wird es naturgemäß nicht geben können. Spürbar
jedoch war die grundsätzliche Bereitschaft der Diskussionspartner,
sich für eine zukunftsfähige und gesellschaftlich akzeptierte
Tierhaltung gemeinsam auf den Weg zu machen. Als „Minimalkonsens“
hielt Moderatorin Tanja Busse auch unter dem Eindruck zahlreicher
engagierter Wortbeiträge von Landwirten aus dem Auditorium fest: „Ein
Wandel in der Tierhaltung muss finanziert werden und darf nicht auf
dem Rücken der Landwirte ausgetragen werden.“
Isermeyer: „Brauchen überzeugende Zielbilder für alle Tierarten“
Den inhaltlichen Einstieg in das Thema lieferten zwei
Impulsvorträge. Prof. Dr. Folkhard Isermeyer vom Thünen-Institut
Braunschweig sah in seinem Kurzreferat die gesellschaftliche
Notwendigkeit, in einem „nationalen Großprojekt“ unter Einbindung
aller gesellschaftlichen Gruppen überzeugende Zielbilder für alle
Tierarten zu entwickeln, um die „Kakophonie zu überwinden“ und
praxistaugliche Langfristperspektiven zu entwickeln. In seinem
Resümee ordnete er den gesellschaftlichen Blick auf die Tierhaltung
in Deutschland in einen globalen Kontext und stellte die provokante
Frage: „Hat Deutschland den Mut, die Nutztierhaltung per
Gesellschaftsvertrag von jenem Pfad fortzuführen, den die
globalisierte Marktwirtschaft vorgibt?“ Wenn dies nicht der Fall sei,
so Isermeyer, „dann sind die konkreten Spielräume für das Thema
Tierwohl eher begrenzt“.
„Den einen Geflügelstall der Zukunft gibt es nicht“
Bernd Meerpohl, Vorsitzender Fachbeirat EuroTier, stellte seinem
Impulsvortrag „Emissionsfreie, digitale Hühner-Wohlfühloasen?“ mit
Blick auf nur schwer auszuräumende zentrale Zielkonflikte eine
bewusst provokante Prophezeiung voraus: „Drei Ziele = kein Stall“.
Für die Zukunft der Geflügelställe sah Meerpohl ganz grundsätzlich
eine große Bandbreite unterschiedlicher Betriebsgrößen und
Haltungsformen: „Den einen Geflügelstall der Zukunft gibt es nicht.“
Als besonders relevante Herausforderung identifizierte er den
Themenkomplex Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung: „Bei einer
derart stark wachsenden Weltbevölkerung müssen Nachhaltigkeit und
Ressourcenschonung immer Teil des Tierwohl-Gedankens sein, alle drei
müssen Hand in Hand gehen.“ Auch die Einhaltung der Biosicherheit
werde durch weltweit wachsende Betriebsgrößen und den Trend zur
Freilandhaltung zu einer immer größeren Herausforderung. Und beim
Thema Umweltschutz forderte Meerpohl ein Umdenken ein: „Umweltschutz
muss zum Produkt werden! Wir müssen gedanklich weg von der
regulatorischen Bürde.“
Zum Auftakt der anschließenden Diskussion stellten Prof. Dr. Franz
J. Conraths, Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts, Silvia
Bender, Leiterin Biodiversität beim BUND, Ina Müller-Arnke von der
Tierschutzorganisation Vier Pfoten und ZDG-Präsident Friedrich-Otto
Ripke zunächst in Kurzthesen ihre zentralen Positionen vor.
– Prof. Conraths trat dafür ein, ein überdurchschnittliches Maß an
Biosicherheit zu belohnen und gravierende Mängel zu bestrafen,
so durch weniger Beiträge an die Tierseuchenkasse oder eine
Kürzung der Entschädigung im Seuchenfall.
– Silvia Bender forderte eine Reduktion des Tierbestands in
Deutschland und weltweit („wir brauchen weniger Ställe“) und die
Rückkehr zu einer „bäuerlichen, artgerechten Tierhaltung“ mit
Zweinutzungstieren und veränderten Zuchtzielen.
– Für Ina Müller-Arnke steht eine verhaltensgerechte Unterbringung
der Tiere im Zentrum, „die Tiere müssen ihr natürliches
Bewegungsverhalten ausleben können“. Das Tierwohl müsse an
erster Stelle stehen, nicht die Wirtschaftlichkeit.
– Friedrich-Otto Ripke forderte für die veränderungsbereiten
deutschen Tierhalter und Vermarkter eine aktive
Zukunftssicherung mit Planungssicherheit, kostendeckenden
Erlösen und gesellschaftlicher Wertschätzung für die eigene
Arbeit.
In der anschließenden Diskussion auf dem Podium und auch im sehr
aktiven Austausch mit den Zuschauern ging es weniger um eine konkrete
Annäherung an den tatsächlichen „Stall der Zukunft“ als vielmehr vor
allem um (vermeintliche) Erwartungen der Gesellschaft an das Tierwohl
und die Tierhaltung, um die konkrete Ausgestaltung eines staatlichen
Tierwohllabels, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen Geflügelwirtschaft und immer wieder um die
gesellschaftliche Anerkennung der Arbeit der Landwirte und die auch
finanzielle Wertschätzung von Lebensmitteln. Von mehreren Seiten
kritisiert wurde auch das Fehlen einer Herkunftskennzeichnung im
relevanten Marktsegment des Außer-Haus-Verbrauchs in Restaurants,
Kantinen und Mensen.
Kritik an fehlender Herkunftskennzeichnung in Restaurants und
Kantinen
Während Ina Müller-Arnke für das staatliche Tierwohllabel
„möglichst hohe Kriterien“ für die Eingangsstufe forderte und dies
als Wunsch eines Großteils der Bevölkerung darstellte, konterte
Ripke: „Eine zu starke Reduzierung der Besatzdichte ist kein
Allheilmittel, sondern aktiver Aufruf zum Import! Und damit wäre dem
Tierwohl ein Bärendienst erwiesen.“ Silvia Bender kritisierte ein aus
ihrer Sicht zu geringes Angebot an „Tierwohl-Angeboten“ im
Lebensmitteleinzelhandel. Sie betonte aber zugleich, dass die
Landwirte für ihre öffentlichen Leistungen honoriert werden müssten,
und signalisierte Bereitschaft, sich gemeinsam auf den Weg zu machen.
Im Schlusswort betonte ZDG-Präsident Ripke das hohe Maß an
Veränderungsbereitschaft und Innovation innerhalb der deutschen
Geflügelwirtschaft: „Wir nehmen unsere Verantwortung wahr, aber wir
brauchen auch Unterstützung von der Politik, vom Handel und von den
Verbrauchern. Unsere Landwirte und Vermarkter müssen auf ihre Kosten
kommen, sonst haben wir keine Zukunft.“
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