Litsch im Streit um den Morbi-RSA: „Beirats-Expertise ernst nehmen“

Finanziell geht es der Gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) so gut wie seit langem nicht mehr. Trotzdem
drohen Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen weiter mit
Kassenpleiten und klagen über Ungerechtigkeiten beim
Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) der GKV.
„Angesichts der GKV-weit sehr erfreulichen Finanzkennzahlen sollte
der Expertenrat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs
von allen Beteiligten ernst genommen werden und die Kassen sich
ansonsten wieder mehr auf ihre Kernaufgabe konzentrieren, Versorgung
zu gestalten“, fordert dagegen Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender
des AOK-Bundesverbands.

Laut ersten Medienberichten weist die GKV nach dem dritten Quartal
2017 einen Überschuss von rund 2,5 Milliarden Euro auf, die Rücklagen
bei den 113 Krankenkassen belaufen sich auf rund 18 Milliarden Euro.
Damit dürften die kassenindividuellen Beitragssätze 2018 nicht nur
auf breiter Front stabil bleiben, viele Kassen denken sogar über eine
Absenkung ihres Zusatzbeitrags nach. Vom Gesamtüberschuss entfallen
auf die Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen rund 1,25
Milliarden Euro, also mehr als die Hälfte. Allein der Branchenprimus,
die Techniker Krankenkasse, die über zehn Millionen Menschen in
Deutschland versichert, hat ein Plus von rund 476 Millionen Euro zu
verzeichnen und denkt jetzt über eine Beitragssatzabsenkung nach.
Litsch: „Die Zahlen sprechen Bände. In dieser Situation wirkt es
befremdlich, wenn einige Kassenfunktionäre nun einen kurzfristigen
politischen Handlungsbedarf oder Vorschaltgesetze herbeizureden
versuchen.“ Die positive kassenartenübergreifende Finanzentwicklung
halte im Übrigen schon seit über zwei Jahren an, obwohl es in dieser
Zeit keine Änderungen am Morbi-RSA gegeben habe, betont Litsch.

Im Streit um dessen Weiterentwicklung plädiert der Verbandschef
deshalb für Augenmaß: „Abgesehen davon, dass wir im deutschen
Gesundheitswesen weitaus dringlichere Probleme haben, zum Beispiel
die Sicherstellung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum,
den Fachkräftemangel in der Pflege oder die schnelle digitale
Vernetzung, wäre die künftige Bundesregierung gut beraten, sich auf
die nun vorliegende wissenschaftliche Expertise zu stützen, um dem
von Einzelinteressen getriebenen Dauerstreit nachhaltig die Grundlage
zu entziehen.“

So hatte das Expertengremium unter anderem Vorschläge gemacht, wie
der Morbi-RSA manipulationsresistenter gestaltet werden kann. Im
Mittelpunkt steht vor allem die Einführung einheitlicher ambulanter
Kodierrichtlinien, da die Morbidität ohne ambulante Diagnosen nicht
ausreichend abgebildet werden kann. Dieses Anliegen unterstützen die
AOKs ausdrücklich und haben zum Umgang mit ambulanten Kodierungen
entsprechend des Heil- und Hilfsmittelgesetzes bereits im Juni 2017
gemeinsame Eckpunkte festgelegt.

Mit seinem Sondergutachten hat der Wissenschaftliche Beirat beim
Bundesversicherungsamt erstmals seit 2011 eine wissenschaftlich
fundierte Analyse des Morbi-RSA durchgeführt und daraus Empfehlungen
zu dessen Weiterentwicklung abgeleitet. Die nun vorliegende Expertise
stützt sich auf Daten aller Krankenkassen und Erfahrungen seit
Einführung des Risikostrukturausgleichs im Jahr 2009. Sie war zuvor
von allen Krankenkassen und Kassenverbänden gefordert worden. Im
Rahmen eines Anhörungsverfahrens hatten diese umfassend von der
Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihre Evaluationsvorschläge
einzubringen. Für das Sondergutachten wurde der Wissenschaftliche
Beirat extra um zwei Experten erweitert, darunter auch der
Vorsitzende der Monopolkommission, Professor Achim Wambach,
ausgewiesener Experte für Wettbewerbsfragen.

„Alle gesundheitspolitischen Akteure haben nun erstmals für
mögliche Reformen verlässliche und umfassende Daten und Fakten
vorliegen. Dieses Pfund sollten wir nutzen“, so Martin Litsch.

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