Eine Clearingstelle soll helfen, Marktrücknahmen 
von Arzneimitteln im AMNOG-Verfahren zu verhindern. Für diesen 
Vorschlag hat sich der Bundesrat ausgesprochen.
   Frankreich hat es getan und Schottland auch: Beide Länder haben 
„im komplexen Bereich der Nutzenbewertung“ Konfliktlösungsmechanismen
implementiert, wie es in den Empfehlungen des Bundesrates zum 
Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) heißt: „Trotz aller 
Unterschiede in den Sozialsystemen können diese internationalen 
Modelle daher als Vorbild für eine Clearingstelle dienen.“ Das AM-VSG
durchläuft zurzeit den parlamentarischen Prozess – es soll ab 1. 
April 2017 Gesetz sein.
   Die Länderkammer greift damit ein Problem im Prozess der 
Nutzenbewertung auf, das dazu führt, dass in Deutschland immer mehr 
Arzneimittel nicht oder nicht mehr verfügbar sind. Wie der 
Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) kürzlich 
vorgerechnet hat, ist die Zahl dieser Medikamente im Vergleich zu der
Vor-AMNOG-Ära sprunghaft gestiegen. Vor dem AMNOG waren fast alle von
der europäischen Zulassungsbehörde EMA freigegebenen Arzneimittel 
anschließend in deutschen Apotheken erhältlich. Seit Einführung des 
AMNOG im Jahre 2011 aber wächst die Zahl der Präparate, die es nur 
noch im Ausland zu kaufen gibt – entweder, weil der pharmazeutische 
Unternehmer am Ende des Preisfindungsprozesses beschlossen hat, das 
Medikament hierzulande nicht mehr anzubieten (Opt-out), oder weil er 
es von vornherein gar nicht anbietet, weil er weiß, dass die von ihm 
vorgelegte Evidenz bei den bewertenden Behörden auf wenig Gegenliebe 
stoßen wird. Da solche tatsächlichen oder aber zu erwartenden 
schlechten Bewertungen Grundlage für die Preisverhandlungen mit dem 
Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen sind, sehen die 
Unternehmen den Nutzen ihrer neuen Produkte nicht mehr in den Preisen
abgebildet und ziehen vor, auf den Umsatz ganz zu verzichten. Und das
nicht nur, weil sie sonst innovative Medikamente zu „Ramschpreisen“ 
anbieten müssten, sondern auch, weil die Preisgestaltung in 
Deutschland Leitfunktion für die Preise in anderen Ländern hat. Ein 
deutscher Ramschpreis trägt immer das Risiko eines internationalen 
Ramschpreises in sich – und könnte Präzedenzfall für weitere 
Arzneimittel in dieser Indikation sein.
Marktrückzüge treffen vor allem Chroniker
   Übrigens: Von den 30 Präparaten, die es aufgrund unterschiedlicher
Bewertungsmaßstäben nicht auf den deutschen Markt schafften, ist ein 
großer Teil gegen chronische Erkrankungen entwickelt worden. Gleich 
sechs Medikamente gegen Diabetes mellitus Typ II und vier gegen die 
Immunschwächekrankheit HIV sind deshalb in Deutschland nie auf den 
Markt gekommen. Der BPI nennt das die „Barrierewirkung“ des AMNOG.
   Unterschiedliche Bewertungen von Arzneimitteln selbst auf Basis 
derselben Studien sind keine Seltenheit. So hat ein internationaler 
Vergleich gezeigt, dass die Bewertungen der jeweiligen nationalen 
Behörden zum Teil beträchtlich voneinander abweichen. Aber selbst im 
eigenen Land gehen die Einschätzungen über das Maß eines Zusatznutzen
zum Teil erheblich auseinander: Bei einem Drittel der Verfahren 
kommen das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im 
Gesundheitswesen (IQWiG) und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) 
nicht zu demselben Ergebnis, obwohl sie auf dieselben Dossiers 
zurückgreifen.
   Der Bundesrat schreibt dazu: „Dieses Problem […] zeigt sich auch
in den zum Teil bestehenden Diskrepanzen zwischen den Empfehlungen in
den Leitlinien der wissenschaftlichen medizinischen 
Fachgesellschaften und dem Ergebnis der frühen Nutzenbewertung. Folge
eines unzureichenden transparenten und fairen Dialogprozesses im 
Rahmen der frühen Nutzenbewertung kann als letzter Schritt eine 
Marktrücknahme (sogenanntes „Opt-Out“) sein.“
   Die Clearingstelle soll das ändern. Sie soll möglichst 
unbürokratisch und einvernehmlich „eine fachlich qualifizierte und 
differenzierte Auflösung divergierender Auffassungen zur Bewertung 
des Zusatznutzens von Arzneimitteln“ schaffen und bestehende 
Methodenfragen klären. Ihre Entscheidungen sollen lediglich den 
Charakter unverbindlicher Empfehlungen haben, die allerdings durch 
den G-BA bei der Beschlussfassung zu berücksichtigen sind.
   Schafft es der Vorschlag der Länderkammer in das AM-VSG, wäre das 
ein großer Schritt des AMNOG im Sinne eines „lernendes Systems“. Denn
Arzneimittel, die hierzulande nicht erhältlich sind, sind nur für die
eine gute Nachricht, die sie bezahlen müssen – also für die 
Krankenkassen. Für ihre Versicherten hingegen muss das nicht gelten. 
Denn beim AMNOG ist die Chance groß, dass sich dahinter „nur“ ein 
methodischer Gelehrtenstreit verbirgt – und keine sichere Aussage 
darüber, ob Patienten von einem bestimmten Präparat mehr profitieren 
als von einem anderen.
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Winfried Rauscheder
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