Neue Studie: Insolvenzrecht ESUG ist in der Praxis angekommen, doch Verfahren werden komplexer und Gläubiger kritischer

– Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen steigt in Deutschland leicht,
gleichzeitig werden nur wenige Anträge auf Eigenverwaltung
gestellt
– Eigenverwaltungen als Schutzschirmverfahren werden
häufiger und schneller erfolgreich beendet
– 90 Prozent der Befragten sehen ihre Erwartungen an das ESUG erfüllt
– Striktere Dokumentationspflichten und unzureichende
Rechtssicherheit erhöhen Komplexität der Antragstellung
– Wichtigste Anforderungen an die Eigenverwaltung: erfahrenes,
unabhängiges Management und Sachwalter – Chief Restructuring
Officer gewinnt an Bedeutung
– Gläubiger werden immer kritischer und lehnen Anträge auf
Eigenverwaltung öfter ab
– Schutzschirmverfahren werden gut angenommen

Am 1. März 2012 trat das Gesetz zur Erleichterung der Sanierung
von Unternehmen (ESUG) in Kraft, um die Rahmenbedingungen für die
Sanierung von insolvenzbedrohten Unternehmen zu verbessern. Dabei
sollten vor allem Gläubigerinteressen gestärkt, Insolvenzverfahren in
Eigenverwaltung (Schutzschirmverfahren) unterstützt und Planverfahren
erleichtert werden. In der aktuellen „ESUG-Studie“ von Roland Berger
Strategy Consultants und der Wirtschaftskanzlei Noerr wurden 2.100
Entscheider, darunter Gläubiger, Insolvenzverwalter, Rechtsanwälte,
Richter, Investoren und Manager, zu ihren praktischen Erfahrungen im
Umgang mit dem neuen Insolvenzrecht befragt. Fazit: Fast zwei Jahre
nach Inkrafttreten des ESUG werden zwar die Reformen weiterhin
kontrovers diskutiert, dennoch sehen rund 90 Prozent der Befragten
ihre Erwartungen erfüllt.

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland hat 2013
leicht zugenommen. Der Anteil von Anträgen auf Eigenverwaltung ist
weiterhin gering, doch die Tendenz ist leicht steigend. Bisher haben
vor allem Gläubiger (46%) und Insolvenzverwalter/Sachwalter (32%) die
Neuregelungen des ESUG angewendet. Die meisten Erfahrungen wurden
bisher mit der vorläufigen Eigenverwaltung (86%), dem
Schutzschirmverfahren sowie dem vorläufigen Gläubigerausschuss
(jeweils 80%) gemacht. Immerhin 63 Prozent der Befragten haben
inzwischen auch mit Debt-to-Equity-Swaps Erfahrungen gesammelt.

Gläubiger immer kritischer gegenüber der Eigenverwaltung

Obwohl fast 90 Prozent der Befragten die ESUG-Regelungen bereits
angewendet haben, fühlen sich Gläubiger, Richter und Investoren über
die einzelnen Neuregelungen immer noch schlecht informiert. Vor allem
Gläubiger sind oft kritisch dem neuen Insolvenzrecht gegenüber und
verweigern nicht selten die Zustimmung zur Eigenverwaltung: So wurden
2013 44 Prozent der Anträge auf Eigenverwaltung abgelehnt, im Vorjahr
waren es nur 32 Prozent. „Das liegt in erster Linie an der mangelnden
Erarbeitung eines schlüssigen Sanierungskonzepts“, erklärt Roland
Berger-Partner Oliver Räuscher. „Die meisten Unternehmen schaffen es
einfach nicht, bei der Antragstellung auf Eigenverwaltung ein
vollständiges Sanierungskonzept vorzulegen. Und das verunsichert die
Gläubiger.“

Um die Verfahrenseröffnung nicht zusätzlich zu gefährden, müssen
die Fortführung des Geschäfts sowie die Unterstützung durch die
Stakeholder wie etwa Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter gesichert
sein. Für über 90 Prozent der Befragten geben die Unabhängigkeit des
Sachwalters und des Managements sowie dessen Sanierungserfahrung den
Ausschlag für eine erfolgreiche Eigenverwaltung. Außerdem glauben
mehr als 70 Prozent, dass ein verantwortlicher Chief Restructuring
Officer im Unternehmen notwendig ist, um eine erfolgreiche Sanierung
der Firma zu erreichen.

„Verbesserte Rahmenbedingungen alleine reichen nicht aus“, sagt
Dr. Thomas Hoffmann, Co-Leiter der Praxisgruppe Restrukturierung &
Insolvenz bei Noerr. „Wenn sich ein Unternehmen in einer solchen
kritischen Phase befindet, müssen die Verantwortlichkeiten klar
geregelt sein. Nur so sind eine professionelle Steuerung der
einzelnen Prozesse und eine permanente Kommunikation mit dem
Sachwalter und allen Stakeholdern möglich.“

Schutzschirmverfahren werden gut angenommen

Unterdessen zeichnet sich ein deutlicher Trend zugunsten von
Schutzschirmverfahren ab: 2013 waren rund ein Drittel der beantragten
Eigenverwaltungen auch gleichzeitig Schutzschirmverfahren.
Eigenverwaltungen, die als Schutzschirmverfahren begonnen wurden,
wurden nach Angaben der Studienteilnehmer häufiger und schneller
erfolgreich beendet (41%), im Gegensatz zu vorläufigen
Eigenverwaltungen (23%).

Allerdings bemängelt mehr als die Hälfte der Befragten die
Komplexität in der Antragstellung zur Eigenverwaltung – vor allem
durch hohe Rechtsunsicherheit (51%) und umfangreiche
Dokumentationspflichten (43%). Dennoch glauben die Experten, dass das
neue Insolvenzrecht seine Ziele hauptsächlich durch eine leichtere
Eigenverwaltung (74%) und eine stärkere Berücksichtigung der
Gläubigerinteressen (59%) erreichen konnte. Besonders positiv
bewerten die Befragten die Einführung eines vorläufigen
Gläubigerausschusses und dessen Einfluss auf die Verwalterauswahl
(44%).

Doch an dem Insolvenzrecht besteht noch Änderungsbedarf. Im Fokus
sollte hier die steuerliche Behandlung von Debt-to-Equity-Swaps
stehen, bei denen die Forderungen von Gläubigern in
Gesellschaftsanteile umgewandelt werden. „Mit dem ESUG gibt es zwar
erste positive Erfahrungswerte; gleichwohl gelten weiterhin die
klassischen Erfolgsfaktoren der Restrukturierung wie die frühzeitige
und vertrauensvolle Einbindung der Gläubiger“, resümiert Roland
Berger-Partner Rainer Bizenberger. „Die Sanierung im Rahmen der
ESUG-Regeln wird in Zukunft nur dann regelmäßig gelingen, wenn
positive Beispiele die Akzeptanz unter den Gläubigern stärken.“

Die Studie können Sie kostenlos herunterladen unter:
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sowie
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