NRW braucht eine konsequente Krankenhausreform: „Weniger Standorte – mehr Qualitätsorientierung“ / AOK hat Mut zu neuen Strukturen

Vor mehr als 100 Gästen aus Politik, Wirtschaft
und Gesundheitswesen diskutierten heute beim AOK-Tag in Dortmund
namhafte Experten über die geplante Krankenhausreform der großen
Koalition und die Herausforderungen für Nordrhein-Westfalen. „Wir
haben zu viele Krankenhausbetten und gleichzeitig sehr
unterschiedliche Qualitäten. Beides ist für Patienten und
Beitragszahler nicht akzeptabel. Notwendig ist eine
Krankenhausplanung, die eine abgestimmte Aufgabenteilung zwischen den
Kliniken vorsieht. Wir brauchen eine gute flächendeckende
Grundversorgung und eine qualitätsorientierte Bündelung von
Schwerpunkten. Es macht keinen Sinn, wenn jedes Haus alles macht. Der
Krankenhausplan 2015 für NRW geht in die richtige Richtung, reicht
aber noch nicht aus, um den benötigten Investitions- und
Modernisierungsschub voranzutreiben. Verbindliche Qualitätsvorgaben
würden helfen, den notwendigen Strukturumbau zu beschleunigen. Wir
wollen nicht überflüssige Betten subventionieren, sondern eine
bedarfsgerechte und qualitätsorientierte Versorgung erreichen,“
erklärten die beiden alternierenden AOK-Verwaltungsratsvorsitzenden
und Initiatoren des AOK-Tages, Georg Keppeler und Johannes Heß. Beide
AOK-Selbstverwalter forderten von den beteiligten Akteuren mutige und
konsequente Entscheidungen, die zu mehr Qualität für den Patienten,
aber auch zu weniger Kliniken führen müssen. Dazu müsse auch das Land
seinen Investitionspflichten wieder in einem angemessenen Umfang
nachkommen.

Fast alle Diskussionsteilnehmer beim AOK-Tag in Dortmund waren
sich einig: Deutschland braucht dringend eine Krankenhausreform und
dabei sollten Qualitätsaspekte stärker als bisher im Fokus stehen.
Mehr Transparenz über die angebotenen und erbrachten Leistungen sei
dabei unentbehrlich. Unterschiedlich waren die Vorschläge dazu, wie
man dies zeitnah, praktikabel und finanzierbar ausgestalten sollte.

Zum Gelingen der Strukturreform ist eine nachhaltige Finanzierung
dringend erforderlich. Martin Litsch, Vorstandschef der AOK NORDWEST,
warnte: „Zusätzliches Geld darf künftig nicht mehr in ineffiziente
Strukturen fließen.“ Der Umbau der Krankenhausstrukturen muss
angemessen und nachhaltig finanziert werden. Das geeignete Instrument
wäre ein auf mehrere Jahre angelegter Strukturfonds, deren
Finanzmittel zielgerichtet für Einzelförderungen und die Umwidmung
von Krankenhäusern eingesetzt werden sollte. „Die pauschale Förderung
nach dem Gießkannenprinzip muss endlich ein Ende haben“, so Litsch.

Prof. Wolfgang Greiner von der Universität Bielefeld, Mitglied im
Sachverständigenrat Gesundheit, erklärte, dass aktuell
Überkapazitäten im Krankenhaussektor das dominante Problem seien.
Beim Abbau dieser Überkapazitäten hätten die Länder, die für die
Krankenhausplanung zuständig seien, die Steuerungsmöglichkeit in der
Hand. „Für die zwingend erforderliche Marktbereinigung fehlt leider
der Mut“, so Greiner. Außerdem kritisierte er, dass Finanzmittel der
Länder für dringend erforderliche Investitionen in den Kliniken
unzureichend seien. Um eine Schließung oder den Umbau von nicht
benötigten Krankenhauskapazitäten zu erleichtern, schlug Greiner
einen Fonds zur Zahlung von Übergangsgeldern ein. Als Anreiz zur
Verbesserung der Qualität in den Kliniken brachte Prof. Greiner auch
finanzielle Vorteile ins Gespräch: „Es könnten durchaus auch
spezielle Bonuszahlungen für die Erreichung einzelner Qualitätsziele
geeignet sein, die vorab bei den Budgetverhandlungen zwischen
Krankenkassen und Krankenhäusern vereinbart werden könnten“, so
Greiner.

„Mit unserer geplanten Krankenhausreform müssen wir die
rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, die die Länder brauchen, um
den Strukturumbau in den Kliniken vorzunehmen. Dieser wird zu einem
abgestuften Versorgungsangebot und zu einer aufeinander abgestimmten
Zusammenarbeit zwischen den Krankenhäusern führen“, sagte MdB Lothar
Riebsamen, krankenhauspolitischer Sprecher der
Unions-Bundestagsfraktion.

Eindeutig für mehr Qualität in der Krankenhausversorgung des
Landes steht NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens. „In unserem
neuen Krankenhausplan 2015 haben wir erstmalig qualitätssichernde
Mindeststandards für die Krankenhausbehandlung festgelegt. Damit
wollen wir den qualitätsorientierten Leistungswettbewerb der Kliniken
fördern“, so Steffens. Die Frage der Qualität werde in der
Krankenhausplanung einen immer höheren Stellenwert bekommen,
prognostizierte die Ministerin, denn dies werde nun auch vom Bund
unterstützt.

Auch für die 370 Krankenhäuser in NRW hat eine stetige
Verbesserung der Patientensicherheit und Behandlungsqualität höchste
Priorität. „Kein Bereich im Gesundheitswesen ist so transparent bei
der Qualität wie die Krankenhäuser. Wir sprechen uns klar für einen
Qualitätswettbewerb aus, der aber von unabhängiger Seite auf
methodisch sauberer Grundlage und mit transparenten und fairen
Spielregeln stattfinden muss“, erklärte Jochen Brink, Präsident der
NRW-Krankenhausgesellschaft. Das von der Regierungskoalition
angekündigte unabhängige Qualitätsinstitut, das sektorenübergreifend
Routinedaten auswerten und veröffentlichen soll, sei deshalb
grundsätzlich zu begrüßen. Nach dem NRW-Krankenhausplan sind im
nächsten Jahr landesweit nur noch rund 114.000 Betten und
Behandlungsplätze erforderlich, etwa 10.000 weniger als im Jahr 2010.
„Den geplanten Bettenabbau von rund 10.000 Betten tragen wir mit und
bringen uns aktiv in die Veränderungsprozesse mit ein.“

Zu den Folgen der Veränderungsprozesse sagt Georg Keppeler,
alternierender Verwaltungsratsvorsitzender der AOK NORDWEST. „Der
Aufbau von effizienteren Strukturen wird dazu führen, dass Betten
abgebaut und auch Standorte aufgegeben werden. Wir müssen und werden
den Patienten erklären, dass künftig nicht mehr alle Leistungen und
Operationen in allen Kliniken durchgeführt werden können. Die
flächendeckende stationäre Versorgung sollte sich künftig auf
qualitativ hochwertige Leistungen der Grund- und Regelversorgung
konzentrieren. Höher spezialisierte Leistungen und komplizierte
Eingriffe werden in Spezialkliniken oder Spezialabteilungen in
Krankenhäusern der überregionalen Versorgung durchgeführt. Und dafür
müssen die Patienten dann auch schon mal ein paar Kilometer
zurücklegen. So kann der Spagat zwischen guter Qualität und
Finanzierbarkeit gelingen.“ Für AOK-Chef Martin Litsch sollten klar
definierte Qualitätskriterien und Mindeststandards fester Bestandteil
der Krankenhausplanung werden. Für schlechte Qualität sollte künftig
gar kein Geld mehr ausgegeben werden. „Werden die vorgegebenen
Qualitätskriterien von Kliniken nicht eingehalten, kann der
Versorgungsauftrag sogar entzogen werden und die Klinik muss dann
vielleicht sogar schließen“, so Litsch. Der AOK-Chef spricht sich für
einen breiten politischen Konsens zur Bereinigung der
Krankenhausstrukturen aus.

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