NRZ: Thyssenkrupp droht ein heißer Herbst – von MANFRED LACHNIET

In Wirtschafts-Nachrichten steht oft das Schicksal
des Vorstandsvorsitzenden im Vordergrund. Gleich dahinter wird der
Aktienkurs genannt, wenn es um das Auf und Ab eines Unternehmens
geht. Darüber wird vergessen, was die Entscheidungen von Top-Managern
und Anteilseignern für die vielen Mitarbeiter bedeuten. Die rund
160.000 Beschäftigten von Thyssenkrupp erfuhren erneut aus den
Medien, dass in der Führungsspitze der Teufel los ist. Dabei hatte
erst vor gut einem Jahr Vorstandschef Heinrich Hiesinger entnervt das
Handtuch geschmissen. Mit ihm nahm auch noch der
Aufsichtsratsvorsitzende Reißaus. Als Vize Guido Kerkhoff kurzerhand
das Ruder übernahm, hatte er den Segen der Anteilseigner und der
Arbeitnehmer. Er wird den strauchelnden Traditionskonzern schon
wieder aufrichten, meinten alle. Gestern setzte man ihn vor die Tür.
Und erneut stimmten alle Beteiligten der Absetzung zu. Da darf man
fragen: Hat irgendjemand noch einen Plan? Was sollen die Mitarbeiter
von diesem Chaos halten? Von den Beschäftigten wird tagtäglich
verlangt, dass sie ihre Arbeit gut und zum Wohle des Unternehmens
verrichten. Doch gilt diese Denke auch für die Anteilseigner? Oder
liegt ihnen viel mehr am möglichst schnellen Verkauf der wertvollen
Aufzugsparte, damit flott eine Sonderdividende in ihre Kasse fließt?
Sollte das Aufzug-Geschäft veräußert werden, stellt sich die Frage,
was mit dem Erlös passiert. Und auch, was mit den übrigen Bereichen
geschieht. Besonders bei den Stahlarbeitern, die den Konzern einst
groß machten, ist die Sorge groß. Und auch in der Essener Zentrale.
Die IG Metall, die per Montanmitbestimmung mit im Aufsichtsrat sitzt,
dürfte ihre moderate Rolle bald ändern. Denn die Gewerkschafter
wissen, dass die wohl künftige TK-Chefin Martina Merz eine knallharte
Saniererin ist. Stellenstreichungen und Standortschließungen stehen
längst im Raum, die Unsicherheit bei den Mitarbeitern ist seit
gestern noch größer geworden. Es droht ein heißer Herbst zu werden.

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