Der berufliche Aufstieg war für Frauen vermutlich nie einfacher als heute. Und er erfolgt durch Schützenhilfe: die gesetzliche Quote, Frauenfördermaßnahmen und interne Quoten in Unternehmen. Und das ist auch gut so!
In demokratischen Systemen werden Missstände und Ungerechtigkeiten durch Gesetze ausgehebelt. In diktatorischen Systemen braucht es einen „Arabischen Frühling“ oder Revolten, um für mehr Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit zu sorgen. Nicht selten sind diese Systeme hinterher instabil und brüchig. Oft enden sie in Kriegen und jahrelangen Konflikten. Ich bin sehr dankbar, dass das nicht unser Weg sein muss.
Oft höre ich den Kommentar: “Ich will keine Quotenfrau” sein. Und gern lassen sich erfolgreiche Frauen auch in den Medien mit den Sätzen zitieren: “Frauen schaffen es auch ohne Quote, wenn sie wollen.”
Natürlich schaffen sie es ohne Quote. Aber um welchen Peis? Viele der Frauen sind “kampfesmüde”. Sie haben ihre persönliche Revolte und ihre internen Fehden über Jahre ausgehalten. Ihnen fehlt, oben angekommen, sehr oft die Energie, sich um die zu kümmern, die von unten nachrücken. Und das kann nicht wirklich unsere Alternative sein!
Nein, Quotenfrauen wollen wir alle nicht sein. Aber warum eigentlich nicht? Warum sehen wir die Quotenfrauen mit so viel Widerwillen, Argwohn und Missgunst? Weil sie durch ein Gesetz Schützenhilfe bekamen, an die Stellen zu kommen, die ihnen zustehen? Weil sie den Kampf nicht alleine gefochten haben, sondern weil ihnen durch Alliiertenhilfe der Durchbruch erleichtert wurde? Im Krieg wird so etwas honoriert und nachher oft durch jahrelange politische (Männer-)Freundschaften und Allianzen gefestigt. Und in friedlichen Zeiten glauben wir, ist der persönliche Erfolg einzig dann etwas Wert, wenn dieser Erfolg durch Kampf erzwungen wurde? Das ist Unsinn!
Ich persönlich denke, das ist die falsche Haltung. Wir sind nicht im Kampf gegen die Männer, und wir müssen keine kriegerischen Konflikte lösen. Wir sind nicht Opfer instabiler Systeme, sondern als Quotenfrau helfen wir mit, gesellschaftliche Missstände auf friedliche Art zu beseitigen, bevor sie zu einem ernsthaften Problem werden. Missstände nämlich, die weder Männern und Frauen, noch den Unternehmen und der Innovationskraft unserer Gesellschaft dienen, wenn wir sie weiter aufrecht erhalten, unkommentiert hinnehmen und unter ihnen leiden.
Als Quotenfrauen wurden wir ausgewählt, Pioniere zu sein. In der Geschichte der Menschheit waren Pioniere immer Regelbrecher und Innovatoren – und hoch angesehen, wenn ihre Pionierleistung erfolgreich war. Sie waren mutig, willens- und durchsetzungsstark und sie fanden sehr schnell Nachahmer. Pioniere, die unentdecktes Land erreichten, haben ihre Reise selten allein angetreten. Sie hatten ein Team im Rücken. Pioniere der Wissenschaft haben sich oft gegen landläufige Meinungen durchsetzen müssen. Ihre neuen Erkenntnisse und Überzeugungen wurden erst dann akzeptiert, wenn sie durch ihre wissenschaftlichen Leistungen bewiesen wurden.
Als Quotenfrauen wandeln wir auf den Spuren dieser Poniere. Die Quote und Frauenfördermaßnahmen sorgen dafür, dass wir die Pionierleistungen nicht mehr wie bisher alleine, mit viel Glück oder mithilfe uns gewogener männlicher Chefs erreichen, sondern Schützenhilfe bekommen, die Kraft spart.
Die Quote und Frauenfördermaßnahmen bewahren uns aber nicht davor, die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Überzeugungen, dass Frauen an der Spitze genauso gut sind wie Männer, in der Praxis weiterhin pro-aktiv zu beweisen. Allerdings nicht in einer Kampfes- sondern in einer Pionierhaltung, also durch Überzeugungs- und Integrationsarbeit, sichtbare Taten – und vor allem durch ein sichtbares Engagement nach unten.
Als Quotenfrau rücken wir nämlich nicht nur in das Blickfeld argwöhnischer Männer, sondern werden vor allem auch von den jungen Frauen wahrgenommen, die die Aufgabe noch vor sich haben, neue Rollen auszufüllen und alte, zu eng gewordene Rollenstereotype abzuschütteln. Ihnen gegenüber haben wir eine mindestens ebenso große Verantwortung. Wir können ihnen zeigen, was möglich ist. Wir können ihre Sehnsucht wecken, unsere Pionierleistung nachzuahmen.
Als Quotenfrau sind wir nicht zu Unrecht auf unsere Position gekommen, sondern weil man uns aufgrund unserer vorherigen Leistungen am ehesten für diese Pionieraufgabe geeignet hält. Als Quotenfrau sind wir Pionierin mit der gesellschaftlichen Aufgabe, einen die Wirtschaft und Innovationskraft schädigenden Mangel zu beseitigen und einen positiven, produktiven Wandel herbeizuführen.
Hören wir also endlich auf, uns persönlich, gesellschaftlich und medial zu schelten und aus den Quotenfrauen Opfer zu machen. Eine Opferhaltung steht uns nicht gut zu Gesicht. Sie lässt uns, im wahrsten Sinne des Wortes, unwürdig erscheinen. Durch diese Opferhaltung nehmen wir uns die Stärke und Schützenhilfe, die uns die Quote und Frauenfördermaßnahmen geben.
Sehen wir selbst uns als Opfer, werden wir von den Männern – völlig zu Recht – auch als Opfer wahrgenommen. Das kann nicht ernsthaft unsere Antwort sein. So können gute Veränderungsansätze nur scheitern.
Seien wir stattdessen stolz darauf, Pionierleistungen erbringen zu dürfen. Suchen wir uns die richtigen Verbündeten auf diesem Weg. Werben wir, gemeinsam mit den Männern, für einen Change, der in letzter Konsequenz auf allen Seiten für deutliche unternehmensinterne Verbesserungen, für mehr Produktivität und für eine vielfältigere Unternehmenskultur sorgen wird.
Treten wir ein für ein neues Frauenbild in der Wirtschaft. Für Frauen nämlich, die – dank einer Schützenhilfe – kraftvoller und energieschonender als bisher in verantwortungsvolle Positionen rücken und diese fachlich und menschlich mit neuen Impulsen, einer anderen Haltung und weiblichen Zügen zu neuem Leben verhelfen.
Nehmen wir die Quote an und akzeptieren wir endlich die Pionierarbeit, die in ihr liegt.