Die meisten Flüchtlinge wollen rasch arbeiten; zugleich besteht
großes Interesse, sich zu qualifizieren und weiterzubilden. Das zeigt
eine gemeinsame Interviewstudie des Forschungsbereichs beim
Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und
Migration (SVR) und der Robert Bosch Stiftung. Welcher Weg zu
gesellschaftlicher Teilhabe führt, ist dabei individuell verschieden.
Deshalb sind flexible Strukturen und passgenaue Maßnahmen für
Flüchtlinge nötig. Die Studie zeigt darüber hinaus: Persönliche
Begegnungen und zwischenmenschliche Kontakte sind von zentraler
Bedeutung für Integration und Teilhabe.
Die Frage, wie die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland
künftig gestaltet werden soll, beschäftigt Politik und
Zivilgesellschaft. Hierzu gehört auch, wie es gelingen kann, gute
Teilhabebedingungen für diejenigen zu schaffen, die einen
Schutzstatus erhalten. Wie sehen die Lebenslagen von Asylsuchenden
aus, was erwarten sie vom Leben in Deutschland? Der
SVR-Forschungsbereich und die Robert Bosch Stiftung haben gemeinsam
eine Studie durchgeführt, um diese Fragen zu beantworten. „Die
Perspektive der Flüchtlinge kommt in der Forschung und der
öffentlichen Diskussion meist zu kurz“, sagt Ottilie Bälz, Leiterin
des Themenbereichs Gesellschaft bei der Robert Bosch Stiftung. „Hinzu
kommt, dass sich die individuellen Erfahrungen und Lebenslagen von
Flüchtlingen stark unterscheiden: –Den– Flüchtling gibt es nicht.“
Die Studie „Wie gelingt Integration? Asylsuchende über ihre
Lebenslagen und Teilhabeperspektiven in Deutschland“ basiert auf 62
qualitativen Interviews, die zwischen März 2016 und April 2017 mit
Flüchtlingen mit unsicherem Aufenthaltsstatus geführt worden sind.
Die Befragten stammten aus Syrien, Afghanistan, Somalia, Pakistan,
Albanien, dem Kosovo und Mazedonien. Die Befragung gibt Aufschluss
darüber, welche Bedarfe und Erwartungen die Schutzsuchenden haben,
welche Fähigkeiten sie mitbringen und wie sie ihre aktuelle
Lebenslage wahrnehmen. Eines der Alleinstellungsmerkmale der
Untersuchung ist der offene Teil der Interviews, in dem die
Asylsuchenden ihre Themen selbst wählen konnten. Die Ergebnisse sind
nicht repräsentativ für alle Flüchtlinge in Deutschland, decken
jedoch viele unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen ab.
Fast alle Neuankömmlinge wollen möglichst schnell arbeiten, um
finanziell unabhängig zu sein. Gleichzeitig wollen sie sich aber auch
qualifizieren oder weiterbilden“, so Dr. Jan Schneider, der Leiter
des SVR-Forschungsbereichs. „Um dieses Spannungsfeld aufzulösen,
braucht es flexible Strukturen. Die Maßnahmen, die den Zugang zu
Arbeit, Ausbildung und gesellschaftlicher Teilhabe insgesamt fördern,
müssen zu den individuellen Lebenslagen der Flüchtlinge passen. Sonst
greifen sie nicht.“ Neben dem Zugang zu Arbeit und Bildung spielt es
für die Integration auch eine Rolle, wie das lokale Umfeld aussieht:
Flüchtlinge brauchen nicht nur Wohnraum, sondern auch
zwischenmenschliche Begegnungen und Kontakte. „Wenn die Bedingungen
stimmen, würden viele auch gerne in kleineren Kommunen und in
ländlichen Räumen bleiben“, hebt Dr. Schneider ein Ergebnis der
Studie hervor. „Die Städte und Gemeinden tragen eine hohe
Verantwortung: Sie sind der Motor für die gesellschaftliche Teilhabe
von Flüchtlingen.“
Was kann die künftige Bundesregierung tun, um Integrationsprozesse
zu erleichtern? Asylsuchende werden derzeit nach ihrer
Bleibeperspektive eingeteilt und unterschiedlich behandelt. Außerdem
wurde der Familiennachzug teilweise ausgesetzt. Die Studie zeigt,
dass beides zumindest aus integrationspolitischer Sicht nicht
sinnvoll ist. Dr. Schneider empfiehlt, die Rahmenbedingungen den
Erfordernissen anzupassen: „Deutschland sollte den Familiennachzug
für subsidiär Schutzberechtigte wie geplant wieder einführen und die
Aufenthaltssituation der Flüchtlinge schneller klären. Zudem sollten
für Asylsuchende gleiche Aufnahme- und Verfahrensstandards gelten,
vor allem für diejenigen mit guter und mittlerer Bleibeperspektive,
und die Asylverfahren sollten weiter beschleunigt werden. Wissen über
den Ablauf und Stand des Asylverfahrens sowie über Teilhabeoptionen
macht Flüchtlinge handlungsfähig, diese Fähigkeit gilt es zu erhalten
und zu fördern. Neben möglichst passgenauen Maßnahmen für den Zugang
zu Ausbildung, Arbeit und Sprachkenntnissen ist die soziale Teilhabe
ein Kernbedürfnis der Asylsuchenden. Sie sollte stärker als bisher im
Fokus von Integrationskonzepten stehen.“
Die Studie können Sie herunterladen unter:
http://www.svr-migration.de/publikationen
Ihre Ansprechpartnerin für Presseanfragen:
Dr. Margret Karsch
Kommunikation SVR GmbH
Tel. 030/288 86 59-18
presse@svr-migration.de
Über den Forschungsbereich beim Sachverständigenrat:
Der Forschungsbereich beim Sachverständigenrat führt
eigenständige, anwendungsorientierte Forschungsprojekte zu den
Themenbereichen Integration und Migration durch. Die projektbasierten
Studien widmen sich neu aufkommenden Entwicklungen und
Fragestellungen. Schwerpunkte der Forschungsvorhaben sind die
Themenfelder Bildung und Flucht/Asyl. Der SVR-Forschungsbereich
ergänzt die Arbeit des Sachverständigenrats. Die Grundfinanzierung
wird von der Stiftung Mercator getragen.
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und
Migration geht auf eine Initiative der Stiftung Mercator und der
VolkswagenStiftung zurück. Ihr gehören weitere fünf Stiftungen an:
Bertelsmann Stiftung, Freudenberg Stiftung, Robert Bosch Stiftung,
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und Vodafone Stiftung
Deutschland. Der Sachverständigenrat ist ein unabhängiges und
interdisziplinär besetztes Expertengremium, das zu integrations- und
migrationspolitischen Themen Stellung bezieht und
handlungsorientierte Politikberatung anbietet.
Weitere Informationen unter:
www.svr-migration.de/Forschungsbereich
Über die Robert Bosch Stiftung:
Die Robert Bosch Stiftung GmbH gehört zu den großen,
unternehmensverbundenen Stiftungen in Europa. In ihrer gemeinnützigen
Arbeit greift sie gesellschaftliche Themen frühzeitig auf und
erarbeitet exemplarische Lösungen. Dazu entwickelt sie eigene
Projekte und führt sie durch. Außerdem fördert sie Initiativen
Dritter, die zu ihren Zielen passen.
Die Robert Bosch Stiftung ist auf den Gebieten Gesundheit,
Wissenschaft, Gesellschaft, Bildung und Völkerverständigung tätig. In
den kommenden Jahren wird sie darüber hinaus ihre Aktivitäten
verstärkt auf drei Schwerpunkte ausrichten:
– Migration, Integration und Teilhabe
– Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Deutschland und Europa
– Zukunftsfähige Lebensräume
Seit ihrer Gründung 1964 hat die Robert Bosch Stiftung mehr als
1,4 Milliarden Euro für ihre gemeinnützige Arbeit ausgegeben.
Weitere Informationen unter: www.bosch-stiftung.de/fluchtundasyl
Pressekontakt:
Michael Herm
Pressereferent
Strategische Kommunikation
Robert Bosch Stiftung GmbH
Telefon: 0711/46084-290
Fax: 0711/46084-10290
michael.herm@bosch-stiftung.de
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