„Das GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz 
soll ein Schritt nach vorne sein, doch für die Versorgung der 
Patienten geht es mit dem Kabinettsentwurf gleich zwei Schritte 
rückwärts“, sagte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des 
AOK-Bundesverbandes. Die Bundesregierung biete mit diesem 
Gesetzentwurf keineswegs eine Lösung für die Frage, wie trotz immer 
schneller steigender Preise für patentgeschützte Wirkstoffe eine 
zukunftsfähige Arzneimittelversorgung für alle Patienten 
gewährleistet werden kann.
   Stattdessen werden viele Wünsche der Pharmafirmen aufgegriffen, 
die diese zuvor im Pharmadialog vorrangig mit Blick auf den 
Wirtschaftsstandort Deutschland vorgebracht hatten. Durch den Wegfall
der Zytostatika-Ausschreibungen sowie zusätzliches Honorar in Höhe 
von 100 Millionen Euro können sich auch die Apotheker über 
unverhoffte Geschenke freuen.
Verschleierung der Preise fördert Gewinnmargen
    Zu den Wünschen der Pharmaindustrie gehört, die zwischen ihnen 
und dem GKV-Spitzenverband ausgehandelten Erstattungsbeträge für neue
Medikamente geheim zu halten. „Doch was laut Kabinettsentwurf den 
Pharmastandort Deutschland stärken soll, dient in Wirklichkeit nur 
dazu, dass Pharmafirmen in Ländern, die Deutschland als Referenzland 
nutzen, höhere Preise durchsetzen können“, so Litsch. „Durch diese 
Verschleierungstaktik wird auch die Versichertengemeinschaft in 
Deutschland durch unnötig hohe Arzneimittelpreise belastet.“ Den 
unverbindlichen Aussichten auf niedrigere Erstattungsbeiträge und 
weniger Marktrückzüge stehen handfeste Mehrkosten entgegen, die die 
finanzielle Stabilität der GKV belasten können.
   Außerdem enthält der Gesetzestext immer noch keine Hinweise 
darauf, wie die intransparenten Erstattungspreise umgesetzt werden 
sollen, wenn gleichzeitig alle relevanten Stellen die verhandelten 
Preise kennen müssen. Details dazu wollen das 
Bundesgesundheitsministerium und das Bundeswirtschaftsministerium in 
einer Rechtsverordnung  klären. Martin Litsch kritisierte dieses 
Vorgehen: „Eine gesellschaftlich so relevante Frage wie der Umgang 
mit intransparenten Arzneimittelpreisen sollte nicht am Parlament 
vorbei geregelt werden. Das wird ihrer Bedeutung nicht gerecht.“
Kostensteigernde Preisspirale
   Auf Wunsch der Pharmaindustrie werden die Preise aus dem 
europäischen Ausland weiterhin als verpflichtende Bezugsgröße bei den
Arzneimittelpreisverhandlungen in Deutschland vorgegeben. „Die der 
Industrie zugestandenen Preiserhöhungsmöglichkeiten im Ausland werden
durch diese Regelung wieder nach Deutschland importiert. Da kann die 
Pharmaindustrie ab sofort gleich zwei Mal Weihnachten feiern“, sagte 
Martin Litsch. „Die Politik sollte an der noch im Referentenentwurf 
vorgesehenen Streichung dieser Vorschrift festhalten.“ Darüber hinaus
sollte auch der Bezug auf die Preise von vergleichbaren Arzneimitteln
entfallen, denn hierdurch wird jeder Preiswettbewerb verhindert.
   Kritisch bewertet die AOK auch die vorgeschlagene Umsatzschwelle 
von 250 Millionen Euro im ersten Jahr, ab der die verhandelten, 
niedrigeren Erstattungspreise gelten sollen. Davon wären 2015 
lediglich drei Präparate betroffen gewesen. „Eine homöopathisch 
dosierte Umsatzschwelle von 250 Millionen Euro kommt den Interessen 
der Pharmafirmen sehr entgegen. Um tatsächlich wirksam zu sein, 
dürfte die Grenze bei maximal 50 Millionen Euro liegen und müsste 
rückwirkend ab dem ersten Tag des Marktzugangs gelten“, sagte Martin 
Litsch.
Zytostatika-Ausschreibungen erhalten
   Für schädlich hält der Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes auch 
die geplante Streichung der Direktverträge für 
Zytostatikazubereitungen. „Den im Gesetzentwurf unterstellten 
Versorgungsnotstand gibt es schlichtweg nicht“, so Litsch. Ohne 
Einschränkungen für die Versorgung der Patienten hat die AOK klare 
Regeln für die Zytostatika-Versorgung aufgestellt und die Lieferwege 
zwischen Arzt und Apotheke transparent sowie versorgungsnäher 
gemacht. Litsch: „Diese Möglichkeit soll nun wegfallen. Mit der 
Neuregelung will der Gesetzgeber sogar in bestehende Verträge 
eingreifen. Das ist nicht tolerabel.“ Als Alternative sollen 
Rabattverträge mit Herstellern von Krebsmedikamenten möglich sein, 
die jedoch nur im Kassenverbund gemeinsam und einheitlich 
abgeschlossen werden können.
   Einen Lichtblick sieht Martin Litsch dennoch im Gesetzentwurf. 
„Unverzichtbar ist die Verlängerung des Preismoratoriums bis zum Jahr
2022. Ich bin froh, dass das Bundesgesundheitsministerium wenigstens 
daran festhält. Allerdings werden mit dem ab 2018 vorgesehenen 
Inflationsausgleich 150 bis 200 Millionen Euro jährlich in den 
Bestandsmarkt gepumpt, also in renditestarke Präparate kurz vor 
Patentablauf. Das ist schlecht investiertes Geld“, so der 
AOK-Vorstand.
   Auch die geplante Praxissoftware, mit der Ärzte über die 
Ergebnisse der Nutzenbewertung von Arzneimitteln informiert werden 
sollen, sei ein wichtiger Beitrag für eine qualitativ hochwertige 
Versorgung der Patienten. Unter zwei Bedingungen, wie Martin Litsch 
formulierte: „Die Informationen müssen herstellerunabhängig sein. Und
die Ärzte müssen die Preise der Arzneimittel kennen. Nur dann können 
sie auch indikationsgerecht und wirtschaftlich sinnvoll verordnen.“
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