46 neue Präparate – noch nie sind so viele
innovative Arzneimittel in Deutschland auf den Markt gekommen wie
2014. Auch die heutige Pressekonferenz zum Arzneiverordnungsreport
2015 (AVR) der AOK stand im Zeichen dieses Innovationsbooms. Der
Vorwurf der Autoren: Die Kosten sind zu hoch, der Nutzen ist zu
niedrig.
Martin Litsch, kommissarischer Vorstand des AOK-Bundesverbandes,
sprach vom „Sovaldi-Effekt“, nach den sehr erfolgreichen neuen
Hepatitis-C-Therapien. Bei den 46 neuen Präparaten hätten die Kosten
pro Verordnung im Schnitt bei 1.400 Euro gelegen – im Vergleich zu
290 Euro bei patentgeschützten Präparaten allgemein, sagte Jürgen
Klauber, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK
(WIdO), das den AVR jährlich erstellt. Gleichzeitig bezweifelten die
Autoren des AVR einen ausreichenden Innovationsgrad der neuen
Produkte. Die Begründung: Nur 20 seien im AMNOG-Prozess mit einem
Zusatznutzen bewertet worden.
Damit führte die Diskussion zu dem Dauerstreit zwischen
Krankenkassen und Pharmaindustrie zur Bewertung der Innovationen im
AMNOG. 80 Prozent der Verfahren, die ohne Zusatznutzen aus der frühen
Nutzenbewertung gehen, scheitern an formalen Gründen. Sprich: Sie
werden vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im
Gesundheitswesen (IQWiG) nicht bewertet, da die Studiendaten nicht
ausreichend seien. Der Erfolg einiger dieser Präparate in der Praxis
zeigt jedoch, dass Ärzte und Patienten den Nutzen sehr wohl sehen.
Anstieg der Ausgaben war voraussehbar
Wie groß dieser Nutzen für die Patienten ist und welche Preise er
rechtfertigt, das ist eine Frage der langfristigen Entwicklung im
Gesundheitssystem. Einsparungen durch neue Therapien, die in den
kommenden Jahren zum Tragen kommen, können in einer reinen
Jahresbilanz, wie sie der AVR darstellt, nicht erfasst werden.
Ausgangspunkt für die Diskussionen um die Preise war der Anstieg
der Arzneimittelausgaben für 2014 um 10,3 Prozent auf 35,4 Milliarden
Euro. Eine Zahl, die nicht neu war, sondern vom
Gesundheitsministerium schon im März rausgegeben und als
„erwartungsgemäß“ kommentiert worden war. Erwartungsgemäß deshalb, da
rund eine Milliarde des Kostenanstiegs auf die gesetzlich festgelegte
Anpassung des Herstellerabschlags von 16 auf 7 Prozent zurückzuführen
ist. Die übrigen mehr als zwei Milliarden gehen auf das Konto der
Innovationen.
Lauterbach: AMNOG muss auf den Prüfstand
Im Laufe dieser Diskussion ging fast das angestammte Kerngeschäft
des AVR unter die Räder: die Einsparpotenziale (ESP). Die berechnet
Herausgeber Prof. Dr. Ulrich Schwabe vom Pharmakologischen Institut
der Uni Heidelberg jährlich auf Basis der Einzelverordnungen von rund
2.000 Ärzten. 4,8 Milliarden Euro könne man einsparen, so das
diesjährige Fazit. Wie dieses Potenzial gehoben werden soll, dazu
sagt der 1.336 Seiten starke Report allerdings nichts – von den
methodischen Mängeln bei der Berechnung ganz abgesehen
(http://ots.de/RxMVR).
Dass die ESP am heutigen Tag nur eine Randerscheinung waren,
deutet darauf hin, dass die AOK die Fruchtlosigkeit solcher
Zahlenspiele erkannt hat. Stattdessen forderten Litsch und seine
Beisitzer auf dem Podium erneut die rückwirkende Anpassung des
verhandelten Erstattungsbetrages zum ersten Erscheinungstag des
Arzneimittels. Eine Forderung, der die Politik schon lange eine
Absage erteilt hatte. Nicht vom Tisch ist eine Reform des AMNOG, wie
Karl Lauterbach, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD,
betonte: „Wir müssen das AMNOG auf den Prüfstand stellen.“ Eine
Novelle könnte schon im kommenden Jahr erfolgen, stellte Lauterbach
in Aussicht. Diskutiert werden müssten dabei insbesondere die
Preisfreiheit für den Hersteller im ersten Jahr und die
Nutzenbewertung des Bestandsmarktes.
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