KfW Research zum Industriestandort: Deutschland muss mehr Neues wagen

KfW Research zum Industriestandort: Deutschland muss mehr Neues wagen
 

– Privates Kapital von großer Bedeutung: Wagniskapital ist in jungen innovativen Unternehmen ein Beschäftigungsbooster und stärkt den Gründungsstandort
– Die Verbesserung traditioneller Standortfaktoren würde deutsche Industrieunternehmen stärken. Zudem sollte der Einsatz von Zöllen fester Bestandteil des wirtschaftspolitischen Instrumentenkastens sein
– Ein weiterer Ausbau der Energieinfrastruktur, insbesondere der Erneuerbaren Energien, kann mittelfristig zu Erleichterung in Form sinkender Energiepreise führen

Deutschland muss mehr wagen und in Neues investieren. Dafür muss privates Kapital gewonnen werden. „Deutschland muss sich neue Wirtschaftszweige erschließen. Das geht nur, wenn auch private Investoren hierzulande mehr investieren. Für junge innovative Unternehmen ist dabei Wagniskapital wichtig, um ihr Wachstum zu beschleunigen“, sagt Dr. Dirk Schumacher, Chefvolkswirt der KfW.

Schumacher stellte am Donnerstag im Rahmen eines Pressegesprächs eine umfassende Studie von KfW Research zum Industriestandort Deutschland vor und zusätzlich eine Kurzstudie speziell zu hiesigen Start-ups. Ein Ergebnis: Wagniskapital (Venture Capital, VC) kurbelt die Beschäftigung in jungen innovativen Unternehmen an. Während deutsche Start-ups, die kein Wagniskapital erhalten, in den ersten neun Jahren im Durchschnitt etwa 1,2 Beschäftigte pro Jahr aufbauen, wachsen Start-ups, die mindestens einmal durch VC finanziert wurden, um durchschnittlich 2,5 Beschäftigte pro Jahr. Dagegen wachsen „normale“, nicht auf starkes Wachstum fokussierte Mittelständler in Deutschland im Schnitt nur um 0,6 Beschäftigte im Jahr. VC-finanzierte Start-ups wachsen im Mitarbeiterbereich also im Schnitt mehr als viermal so schnell wie der deutsche Mittelstand und mehr als doppelt so schnell wie nicht VC-finanzierte Start-ups.

Allerdings bietet der deutsche Markt für Investoren bislang oft keine optimalen Bedingungen, um aus den Unternehmen wieder auszusteigen. Daher führen die „Exit-Wege“ vieler erfolgreicher deutscher Start-ups ins Ausland. So wurden seit 2005 insgesamt 986 Transaktionen erfasst, bei denen VC-Investoren aus ihren Beteiligungen in Deutschland wieder ausgestiegen sind. Der bei weitem wichtigste Exit-Kanal war dabei die Übernahme durch ein anderes Unternehmen: Hier gab es 899 Transaktionen und nur bei 43 Prozent davon war der Käufer in Deutschland beheimatet.

„Die regulatorischen und steuerlichen Rahmenbedingungen für Start-ups sollten in Deutschland so verbessert werden, dass innovative Unternehmen nicht ins Ausland abwandern. Der Gründungs- und Innovationsstandort Deutschland muss stärker gefördert werden“, sagt Dr. Dirk Schumacher.

In der Studie zum Industriestandort Deutschland machen die Autoren von KfW Research weitere Vorschläge, wie die Wirtschaft des Landes gestärkt werden könnte. Alle Daten sprechen dafür, dass die industrielle Wertschöpfung in Deutschland zunächst im Trend weiter schrumpfen wird. Dabei durchläuft die Industrie nicht nur einen normalen Anpassungsprozess, wie es auch früher bereits einige gab. Vielmehr gibt es etliche geopolitische Faktoren, die die Abwärtsdynamik massiv verstärken.

„Das Schicksal der deutschen Industrie hängt, mehr als in der Vergangenheit, von Faktoren ab, die sich der direkten Einflussnahme der Unternehmen und der Bundesregierung entziehen. Die Schlussfolgerung daraus sollte aber nicht Resignation oder Untätigkeit sein. Deutschland muss alle Anstrengungen unternehmen, an den Stellschrauben zu drehen, die wir selbst kontrollieren können“, sagt Dr. Dirk Schumacher.

KfW Research kommt dabei zu folgenden Haupterkenntnissen, zusätzlich zu der Notwendigkeit, den Gründungsstandort Deutschland zu stärken:

– Deutschland muss seiner Industrie eine Atempause verschaffen: Der Gegenwind, dem sich die deutsche Industrie ausgesetzt sieht, basiert auch stark auf staatlichen wirtschaftspolitischen Interventionen in anderen Ländern, allen zuvorderst, aber nicht alleine in China. Mit einem reinen „Laissez-faire“ gibt Deutschland implizit den wirtschaftspolitischen Entscheidungen anderer Länder Gestaltungsmacht über die deutsche Industrie. „Solange China an seiner merkantilistischen Politik festhält und die USA eine erratische America-First-Politik verfolgen, sollten Zölle Teil des wirtschaftspolitischen Werkzeugkastens sein“, sagt Dr. Dirk Schumacher. Zudem muss Deutschland seine starken wirtschaftlichen Abhängigkeiten gegenüber einzelnen Ländern reduzieren. „Die Sicherstellung der Lieferketten etwa für wichtige Rohstoffe ist sowohl eine staatliche als selbstverständlich auch eine unternehmerische Aufgabe. Beide Akteu re sind hier gefragt“, sagt Dr. Dirk Schumacher.
– Traditionelle Standortfaktoren sollten wieder in den Fokus rücken: Hohe Arbeitskosten, ein in Teilen wenig flexibler Arbeitsmarkt, die überbordende Bürokratie und vor allem eine im internationalen Vergleich sehr hohe Steuerlast der Unternehmen belasten Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit enorm. Hier gilt es, wirtschaftspolitisch anzusetzen. „Wie stark die Reformanstrengungen an dieser Stelle sein müssen, hängt auch immer von dem Tempo ab, das andere Länder vorgeben. Und zumindest das Tempo von China und den USA ist sehr hoch!“, sagt Dr. Dirk Schumacher.
– Die Energiekosten müssen sinken: Deutschland leidet an deutlich zu hohen Energiekosten und einer mangelnden Energieinfrastruktur. Ein weiterer Ausbau dieser Energieinfrastruktur, insbesondere der erneuerbaren Energien, kann mittelfristig zu Erleichterung in Form sinkender Energiepreise führen. Vorerst kann eine staatliche Subventionierung der Energiepreise geboten sein. „Auf diese Weise erhöhen wir unsere Chancen, energieintensive Industrieunternehmen in Deutschland zu halten. Wenn gleichzeitig die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, ist diese Subvention dann hoffentlich nur eine vorübergehende“, sagt Dr. Dirk Schumacher.

Die komplette Studie zum Industriestandort Deutschland finden Sie hier zum Download Wettbewerb(sfähigkeit) neu denken: Deutschlands Industrie am Scheideweg | KfW (https://www.kfw.de/%C3%9Cber-die-KfW/KfW-Research/Industriepapier.html)

Die Kurzstudie „Start-ups in Deutschland – Wachstum und Exit-Wege über Venture Capital“ finden Sie hier Fokus Volkswirtschaft | KfW (https://www.kfw.de/%C3%9Cber-die-KfW/Service/Download-Center/Konzernthemen/Research/Fokus-Volkswirtschaft/)

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